Flughafen und Ökologie. Ist das kein Gegensatz? Die Arbeitsgemeinschaft Flughafen und Ökologie (Agfö) meint: Nein. Vier ihrer Mitglieder, Markus Kämpfer, Hans-Peter Winkelmann, Johannes Terkatz und Sabine Arzberger traten am Samstag mit einer Führung über das 130 Hektar große Flughafengelände in Raadt an. Das Motto ihrer zweistündigen Führung: „Frühling am Flughafen“. Auch wenn sich der Frühling an diesem 1. April mit Dauerregen von seiner launischen Seite zeigte, folgten 14 interessierte Mülheimerinnen und Mülheimer den drei Flughafenscouts. Wetterbedingt mussten Teile der Exkursion in einem VW-Bus, in der neuen WDL-Luftschiffhalle und im Vereinsheim des AERO-Clubs als Trockenübung absolviert werden. Der AERO-Club wurde im gleichen Jahr wie der Flughafen, 1925, gegründet und hat heute 300 Mitglieder, darunter 80 Kinder und Jugendliche, die hier unter anderem den Segelflug lernen.
Die
Führung zeigte das 1,36 Quadratkilometer große Areal als größte zusammenhängende
Grün- und Freifläche des westlichen Ruhrgebietes. „Wir sind hier auf 120 Metern
über Normal-Null auf dem höchsten Punkt der Stadt. Und das Flughafengelände ist
in seiner jetzigen Form Mülheims wichtigstes Kaltluftentstehungsgebiet. Wenn
dieses eingezäunte und deshalb seit fast 100 Jahren größtenteils unberührte
Gebiet ganz oder teilweise durch ein Wohnquartier oder einen Gewerbepark bebaut
würde, ginge eine wichtige Kaltluftschneise für die Innenstadt verloren, in der
es schon heute an heißen Sommertagen sieben Grad wärmer als am Flughafen ist“,
erklärte der Mülheimer Raumplaner Dr. Hans-Peter Winkelmann, der sich beruflich
seit mehr als 30 Jahren mit den Fragen der umweltverträglichen und
klimaschützenden Stadt- und Raumplanung befasst und als Berater auch schon für
die Vereinten Nationen und die Europäische Union gearbeitet hat.
Winkelmann
wies auch darauf hin, dass der Boden unbebauter und damit unversiegelter
Flächen nach den Weltmeeren und noch vor den Wäldern der größte CO2-Speicher
und damit für den Klimaschutz relevant seien. „Hinzu kommt noch, dass die
Grünflächen des Flughafengeländes Niederschläge wie ein Schwamm aufsaugen und
das Regenwasser zeitverzögert ins Grundwasser abgeben“, erklärte Winkelmann.
Wie wichtig das bei den im Zuge des Klimawandels jetzt häufiger auftretenden
Starkregenereignisse ist, machte er mit Blick auf das Sommerhochwasser im Juli
2021 deutlich. Nach Angaben des Westdeutschen Wetterdienstes fielen am 12., 13.
und 14. Juli 2021 täglich 90 Liter pro
Quadratmeter. Damals, so Winkelmann, habe die 130-Hektar große Flughafenfläche so
viel Wasser aufgenommen und zeitversetzt versickern lassen, dass man damit 2,4
Millionen Badewannen hätte füllen können. Für den Stadt- und Raumplaner steht
fest: „Hätten wir im Juli 2021 die Grünflächen am Flughafen nicht gehabt, so
dass das Regenwasser in den Rumbach und in die Ruhr abgeflossen wäre, wäre die
Innenstadt abgesoffen.“
Mit Blick
auf die flughafen-kritische Haltung der Grünen, erinnerte Winkelmann auch
daran, dass es ihr Bundestagsabgeordneter Dr. Wilhelm Knabe gewesen sei, der in
den Jahren 1987 bis 1990 die ersten Klimaschutz-Enquete-Kommission des
Deutschen Bundestages geleitet habe.
Im
naturgemäß feuchtesten Teil der Flughafenführung lenkte Sabine Arzberger, die
sich nicht nur in der Agfö, sondern auch im Mülheimer Verein Naturgarten
engagiert, lenkte den Blick ihrer Gefolgsleute auf den Biotop Flughafen. Hier
lebe nicht nur die Feldlerche, so Arzberger, die 2017 ein Open-Air-Konzert des
britischen Sängers Ed Sheeran verhindert habe. Auf den unbehandelten Mager-,
Fett- und Niedermoorflächen des Flughafens fänden auch Insekten, unterschiedlichste
Kräuter und Pflanzen, Feldhasen, Milane, Falken, Bussarde, was sie als Teil des
Ökosystems zu ihrem Überleben und damit zum Erhalt der Artenvielfalt bräuchten.
Hanni Beyer sprach am Ende sicher für viele Teilnehmer der Frühlingsführung am Flughafen, wenn sie für sich feststellte: „Mich hat überrascht, dass Ökologie und Technik hier am Flughafen zusammenpassen, dass das Gelände mit seinen Grünflächen ökologisch, wie ein Schwamm funktioniert und vielen Tieren und Pflanzen einen Lebensraum bietet. Diese Führung wäre sicher für viele Menschen interessant, die das auch nicht wissen und besonders für Kinder und Jugendliche. Denn sie sind unsere Zukunft und müssen deshalb wissen, in welche Welt sie hineinwachsen.“
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