Sonntag, 17. Juli 2022

Hoch hinaus

Als Iduna Hochhaus wurde er gebaut. 50 Jahre nach seiner Vollendung sprechen wir vom Forum-Tower. Der von einer Versicherung Iduna gebaute Wohnturm ist der mit 81 Metern höchste von fünfen, die in den Jahren 1970 bis 1974 am neuen Hans-Böckler-Platz entstanden sind.

In den frühen 1970er Jahren, in denen Mülheim mit absoluter SPD-Mehrheit regiert wurde, bot es sich an, einen neuen und zentralen Platz der Innenstadt nach dem ersten DGB-Vorsitzenden zu benennen.

Wo früher am Hans-Böckler-Platz 1 Mieter der Iduna zu Hause waren, sind seit den 1990er Jahren Eigentümer und Mieter von privaten Wohnungseigentümern daheim. 81 Meter hoch, bietet der Forum Tower auf über 20 Etagen Platz für 242 Wohnungen.

Als Krönung des modernen und urbanen Wohnkomforts gönnte die Iduna als Bauherrin ihren Mietern 1972 auch ein hauseigenes Schwimmbad, von einem Blockheizkraftwerk und einem integrierten Müllentsorgungssystem ganz zu schweigen. Inspiriert vom Versicherungskonzern, ging auch die 1951 gegründete und damals von Horst van Emmerich geführte SWB in den frühen 1970er Jahren am Hans-Böckler-Platz unter die Hochhausbauherrn. Eines ihrer dortigen Hochhäuser dient seit 2006 als Technisches Rathaus.

Als das Iduna-Hochhaus, Baukosten, rund 45 Millionen D-Mark, vor 50 Jahren stand, gingen Oberstadtdirektor, Heinz Heidehoff, Oberbürgermeister Heinz Hager und Baudezernent Philipp Otto Gellinek nicht ohne Stolz durch das neue Haus. Sie ließen sich unter anderem auf dem Balkon des 19. Stockwerks fotografieren. Von dort aus konnten sie schon der nächsten Hochhausbau am Hans-Böckler-Platz in Augenschein nehmen.

So umstritten die Hochhäuser am Hans-Böckler-Platz in der kritischen Rückschau sein mögen, so euphorisch, wurden sie vor 50 Jahren von den Stadtspitzen als Spitze des städtebaulichen Fortschritts gefeiert.

Baudezernent Gellinek sprach von einer „Pioniertat des modernen Städtebaus“. Oberbürgermeister Hager würdigte das Projekt Hans-Böckler-Platz mit seinem hoch hinausgehenden modernen Wohnungsbau als ein „hervorragendes Beispiel für den Städtebau der Zukunft.“ Für ihn war der neue Hans-Böckler-Platz, zu dem auch ein Parkhaus, ein Kaufhaus und ein Einkaufszentrum, der Forum-Vorgänger City Center  gehören sollten, zum Sinnbild, „einer Innenstadt, die mit ihrem verdichteten und multifunktionalen Wohnraum optimal an Dienstleistungen und an den Verkehr angeschlossen wird und so ein echtes Lebenszentrum der Stadt sein kann.“ Der selbst mit einen Innenraumausstattungsgeschäft am Hans-Böckler-Platz ansässige Kaufmann Kurt Remberg nannte das neue Stadtquartier „eine großartige Bürgerinitiative.“ Oberstadtdirektor Heiderhoff, sah das neue Stadtquartier, als „ein gelungenes Beispiel für eine moderne Stadtplanung, die eine Stadt schafft, die Gemeinschaft und individuelle Freiheit stiften und so zum Liebesobjekt ihrer Bürger werden kann.“

1966 hatte Oberstadtdirektor Heinz Heidehoff erste Gespräche mit Investoren geführt. Sein Ziel war die attraktive und verkehrstechnisch angebundene Erweiterung der Innenstadt nach Norden und Osten. Weite Teile des 47.000 Quadratmeter großen Areals zwischen Hingberg, Eppinghofer Straße und Dickswall waren seit dem Kriegsende 1945 Brachflächen. Hier hatten vor dem Krieg unter anderem eine Eisengießerei und eine Kirche gestanden.

Mit dem Ziel einer modernen Innenstadt-Bebauung hatte die Stadt dort ab 1952 systematisch private Grundstücke aufgekauft. Mit den privaten Grundstückseigentümern, der Iduna, der SWB, der Düsseldorfer Treufinanz und der Hertie-Warenhaus-Gesellschaft hatte die Stadt 1969 eine Projektentwicklungsgesellschaft gegründet. Deren Ziel war eine Stadtmitte II unter dem Projektnamen Hans-Böckler-Platz. Im Rahmen einer Aufbaugemeinschaft wurden auch der örtliche Einzelhandelsverband, die Industrie- und Handelskammer und die örtlichen Energie- und Wasserversorger in die Bauplanung einbezogen. Als für die Planung verantwortlicher Architekt wurde Hanns Henning Lautz gewonnen.

Hintergrund des großstädtischen und dem fortschrittsgläubigen Zeitgeist geschuldeten Bauprojekt war die Tatsache, dass Mülheim 1972 mit 193.000 Einwohnern seinen Bevölkerungshöchststand erreicht hatte und Baudezernent Gellinek perspektivisch mit einer Einwohnerschaft von rund 230.000 Menschen rechnete.

Nachdem das neue Wohn- und Dienstleistungsquartier am Hans-Böckler-Platz mit der Eröffnung des City-Centers im März 1974 fertiggestellt worden war, stieg die Einwohnerzahl der Innenstadt auf 25.000. Der Lokalchef dieser Zeitung, Alexander Kranki, schrieb damals über das, auch mit finanzieller Unterstützung des Landes und des Bundes realisierte 300-Millionen-D-Mark-Projekt Hans-Böckler-Platz: „Auf einem riesigen Trümmergelände wurde Utopia zur Wirklichkeit. Hier soll Wohnraumverdichtung die Verödung der Innenstadt verhindern. Im neuen City-Center soll das Leben Spaß machen.“


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