Sonntag, 4. April 2021

Mobiles Mülheim

 Über Jahrhunderte waren die Menschen auch in Mülheim zu Fuß oder mit Pferd und Wagen unterwegs. Hinzu kam die schiffbare Ruhr, die auf14 Kilometern, die Stadt durchfließt. Bis zum Eisenbahnanschluss im Jahr 1862 war die Ruhr ein von Transportschiffen stark befahrener Fluss. Doch um 1880 kam die industrielle Ruhrschifffahrt zum Erliegen. Es sollte bis 1927 dauern, ehe mit dem Wasserbahnhof und der Weißen Flotte ein neues; touristisches Kapitel, der Ruhrschifffahrt aufgeschlagen werden konnte. Der Bau der ersten Mülheimer Ruhrschleuse hatte die Ruhrschifffahrt beschleunigt. Die heutige Ruhrschleuse auf der Schleuseninsel wurde 1845 fertiggestellt. Bereits 1844 war mit der Kettenbrücke der erste Brückenschlag über die Mülheimer Ruhr gelungen, die bis dahin ausschließlich mit der schollschen Fähre hatte überquert werden konnte.

Unvorstellbar. In der ersten Saison 1927/28 beförderten die Schiffe der Weißen Flotte fast 500.000 Fahrgäste. Die Mobilität auf Schienen hatten die Mülheimer 1838 mit der Einrichtung der Sellerbecker Pferdebahn entdeckt, die die in den Zechen des Mülheimer Nordens geförderte Kohle zur Ruhr brachte und sie dort auf Schiffen weiter transportierte.

Ein ganz neues Kapitel der Mobilität wurde am 8. Juli 1897 mit der ersten Fahrt der elektrischen Straßenbahn. Die erste Straßenbahnen fuhren nach einer knapp zweijährigen Planungsphase, die mit einem Stadtverordnetenbeschluss vom 13. August 1895 begonnen hatte, vom Rathaus bis zur Styrumer Stadtgrenze nach Oberhausen und in Richtung Heißen bis zur Körner Straße. Nach dem Ersten Weltkrieg erreichte das Streckennetz der Mülheimer Straßenbahn sein heutiges Gleisnetz von knapp 45 Kilometern.

Die ersten Straßenbahnen fuhren zunächst im 15-Minuten-Takt und dann im 7,5-Minuten-Takt. Die einfache Fahrt kostete 5 Pfennige. Das Streckennetz wurde rasch ausgebaut. Bald konnten die Mülheimer von der Stadtmitte auch zum Kahlenberg oder (ab 1916) auch nach Essen oder (ab 1911) über die erste Schloßbrücke nach Broich, Speldorf, Saarn und Duisburg fahren können. Die Straßenbahnlinie nach Saarn wurde allerdings 1968 zugunsten von Buslinien eingestellt. Der erste Betriebshof der Mülheimer Straßenbahnen befand sich an der heutigen Friedrich-Ebert-Straße, die damals noch Notweg und später Hindenburgstraße hieß. Nach der Schließung des Eisenbahnausbesserungswerkes Speldorf (1959) wurde der Betriebshof nach Broich an die Duisburger Straße verlegt.

Die Popularität, die die Elektrische Straßenbahn als öffentliches Verkehrsmittel gewann, lässt sich unter anderem daran ablesen, dass der Fuhrpark der Mülheimer Straßenbahn von 1897 bis 1914 von 13 Triebwagen und 6 Beiwagen auf 68 Triebwagen und 33 Beiwagen anstieg. Nach dem Ersten Weltkrieg kamen noch einmal 18 Triebwagen und 20 Beiwagen hinzu.

Während des Ersten Weltkriegs, als viele Männer an die Front mussten, wurden erstmals auch Frauen als Straßenbahnfahrerinnen und als Straßenbahnschaffnerinnen eingestellt. Die Straßenbahnen wurden während des Krieges auch für Kohle- Material- und Lazarett-Transporte eingesetzt. In den 1920er Jahren gründeten die Straßenbahner einen Verein, in dem sie gemeinsam musizierten, Sangen und Sport betrieben. Damals dauerte die Schicht eines Straßenbahnfahrers 9 Stunden und sein Wochenlohn lag bei 22,50 Reichsmark. Während des großen Luftangriffs auf Mülheim in der Nacht vom 22. auf den 23. Juni 1943 wurden insgesamt 20 Straßenbahnwagen zerstört. 

In dem Maße, in dem Mülheim im Frühjahr 1945 durch Artillerie-Beschuss zum Front-Gebiet wurde, musste der Straßenbahnverkehr eingestellt erden. Doch schon wenige Tage nach dem Einmarsch der amerikanischen Truppen am 11. April 1945 waren wieder 33 Straßenbahnwagen auf Mülheims Straßen unterwegs. Da die wenigsten Mülheimer damals motorisiert waren, stieg die Zahl der Fahrgäste bis 1951 auf einen Rekordwert von jährlich 45 Millionen an, um danach auf jährlich rund 30 Millionen zurückzugehen. Um möglichst viele Fahrgäste befördern zu können wurden ab 1953 zunehmen Großraum- und Gelenkwagen eingesetzt. Im Laufe der 1950er Jahre schafften die städtischen Verkehrsbetriebe insgesamt 34 Großrau- und Gelenkwagen an. 

Allerdings gingen die Fahrgastzahlen in dem Maße zurück, in dem mit dem westdeutschen Wirtschaftswunder der 1950er Jahre eine Motorisierungswelle begann, die Mülheim zu einer der deutschen Städte mit der höchsten Autodichte werden ließ.

Das führte dazu, dass man aus Rationalisierungsgründen das Streckennetz der Straßenbahn nicht mehr erweiterte und bis 1968 alle Schaffner abschaffte. Gleichzeitig wurden stadtweite 53 Omnibusse auf die Straße geschickt, die 13 Linien befuhren. Im 75. Jahr ihres Bestehens, waren 36 Triebwagen und 23 Beinwagen der städtischen Verkehrsbetriebe auf Mülheims Schienen unterwegs. Ab 1977 wurde da Mülheimer Schienennetz noch einmal durch die zwischen Essen und Mülheim verkehrende Stadtbahnlinie U18 erweitert. Damals lebten 193.000 Menschen in Mülheim und man ging von einem weiteren Anstieg auf mehr als 200.000 Einwohner aus. Mitte der 1980er Jahre wurde unter dem neugeschaffenen Kurt-Schumacher-Platz ein zentraler Busbahnhof eingerichtet. Gleichzeitig wurde das U- und Stadtbahnnetz für die Linie 102 (bis Oberdümpten) nach Norden erweitert. Seit der Eröffnung des Ruhrtunnels im September 1998 fahren die Straßenbahnlinien 910 und 102 zum Teil unter der Ruhr, um ihre Fahrgäste von Mülheim nach Duisburg oder vom Uhlenhorst bis Oberdümpten zu bringen. 


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