Ich fahre mit der Straßenbahnlinie 104 von der Innenstadt bis zur Tilsiter Straße. Nichts daran ist für mich als Fahrgast ungewöhnlich. Nur die Corona-Schutzmaske ist und bleibt für mich gewöhnungsbedürftig. Richtig durchatmen kann man erst nach dem Aussteigen. Doch dann lässt mich eine kleine Dame, die mit ihrem Vater unterwegs ist, aufhorchen. Nachdem die elektronische Lautsprecher- Ansage die nächste Haltestelle Stift-Straße angesagt hat, jubiliert das kleine Mädchen: „Stift-Straße! Da wohne ich ja. Deshalb müssen wir jetzt auch aussteigen“, sagt der Vater. Er wundert sich über die spontane Begeisterung seiner Tochter. Ihr: „Stift Straße! Da wohne ich ja“, kommt so fasziniert und begeistert rüber, als staune das kleine Mädchen darüber, das der Straßenbahnfahrer der Ruhrbahn- Linie 104 ausgerechnet in der Nähe ihres Zuhauses anhält und dieser geradezu großartige Leistung ihr ein großartiges Geschenk gemacht habe. Die Szene in der Straßenbahn erinnert mich daran, dass ich als kleiner Knirps auch immer darüber staunte, dass meine Mutter auch in der Dunkelheit den Weg nach Hause fand. Heute wundere ich mich über vieles und staune über manches. Aber das der Straßenbahnfahrer oder seine Kollegin mich mit der Ruhr Bahnlinie meiner Wahl genau dort hinbringt , wohin ich möchte, war für mich bisher nichts Besonderes. Doch das kleine Mädchen, das jetzt über die zielgenaue Heimfahrt mit der Straßenbahn jubelte, hat mir die Augen geöffnet. Denn im Leben ist nichts selbstverständlich. Es ist tatsächlich eine außergewöhnliche Dienstleistung, dass es bei uns einen öffentlichen Personennahverkehr gibt, der uns mit gewissen Abstrichen immer wieder umweltfreundlich und relativ pünktlich ans Ziel bringt. Kindermund tut Wahrheit kund und schaut eben ganz neu und unverbraucht auf die Details unseres Alltags, in dem es von scheinbaren Selbstverständlichkeiten nur so wimmelt, die bei genauerer Betrachtung ein Grund zum Staunen und zur Dankbarkeit sind.
aus der NRZ vom 01.02.2021
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