Alt-Bürgermeister Wilhelm Knabe ist am 29. Januar 2021 im Alter von 97 Jahren gestorben. Wie sein Sohn Hubertus mitteilte, starb der Mitgründer und Ehrenvorsitzende der Mülheimer Grünen an den Folgen einer Covid-19-Infektion. Noch vor der Erkrankung hatte sich sein Sohn vergeblich um eine Impfung des Vaters bemüht. Knabe, der selbst seine Frau gepflegt hatte, war nach deren Tod selbst in liebevoller häuslicher Pflege. Erst die letzten Meter seines Lebensweges musste er in einer Klinik verbringen. Knabe hinterlässt vier Kinder. Sein Sohn, der Historiker Dr. Hubertus Knabe, hatte am Tag der Deutschen Einheit die Festrede im Rat der Stadt gehalten und bei dieser Gelegenheit alle Mülheimer von seinem damals schon gesundheitlich angeschlagenen Vater grüßen lassen.
Wilhelm Knabe war bis ins hohe Alter politisch aktiv und interessiert. Zuletzt hatte der leidenschaftliche Naturfreund und Naturschützer mit seinem Schild "Opa for future - Ihr seid nicht allein" an den Fridays-for-Future-Demonstrationen teilgenommen, mit denen Jugendliche für mehr Klimaschutz eintraten. Nicht nur innerhalb seiner Partei, die er als Bundessprecher 1980 auch auf nationaler Ebene mit begründet hatte, suchte Knabe selbst lange nach dem Ende seiner politischen Karriere als Bundestagsabgeordneter und Bürgermeister in den 1980er und 1990er Jahren den Dialog mit der jungen Generation, die er immer wieder mit geistigen Vitalität und Neugier auf Neues beeindruckte. Im Kloster Saarn gehörte er zu den "Vorlesern", die Kindern die großartige Welt der Bücher entdecken ließen.
Der aus Sachsen stammende Knabe, kam mit seinen vier Kindern und seiner Frau 1967 nach Mülheim. Zuvor hatte er als Kriegsteilnehmer und als politisch unbequemer Forstwissenschaftler in der DDR die ganze Brutalität und Menschenverachtung der nationalsozialistischen und der kommunistischen Diktatur auf deutschem Boden am eignen Leibe erlebt und deshalb 1959 mit der Flucht nach Westdeutschland einen Neuanfang in der Demokratie gewagt.
Doch auch hier musste er als nordrhein-westfälischer Landesbeamter, der für aktuellen Umweltschutz eintrat, als Umweltpolitik in der wirtschaftlich aufstrebenden Bundesrepublik noch kein Thema war, die Grenzen und Konsequenzen der praktizierten Meinungsfreiheit aushalten. Bis 1966 gehörte der wertkonservative Forstwissenschaftler und Christ, dem die Bewahrung der Schöpfung ein Herzensanliegen war, der CDU an. Doch die Schwarzen waren damals noch nicht bereit für einen Grünen. Und deshalb verließ er die C-Partei und engagierte sich gegen die Autobahnausbau-Projekte, wie das der A31. Knabe wollte dem unbeschränktem wirtschaftlichen Wachstums-Glauben und den Fortschrittssegnungen von Autobahnen und Atomkraftwerken nicht folgen.
Grüner Gründungsvater
Das machte ihn in den späten 1970er und 1980er Jahren zum Mitgründer der Grünen, der seinen Parteifreunden mithilfe eines Zollstocks deutlich machte, dass die politischen Maßstäbe der neuen umwelt- und friedensbewegten Partei nicht mit der herkömmlichen politischen Geografie von Links, Mitte, Rechts, sondern nur mit menschenfreundlicher Politik für die Erhaltung der Umwelt und den Erhalt des Weltfriedens zu beschreiben seien. Als Kriegsteilnehmer wollte Knabe nicht der Logik der atomaren Abschreckung und des atomaren Wettrüsten von Ost und West folgen.
Pionier des Klimaschutzes
Als Mülheimer Bundestagsabgeordneter der Jahre 1987 bis 1990 leitete Knabe bereits eine interfraktionelle Enquete-Kommission, die Maßnahmen zum Schutz der Erdatmosphäre erarbeitete. Noch vor dem Wende-Herbst 1989 nutzte Knabe seinen diplomatischen Status als Bundestagsabgeordneter, um die DDR-Opposition gegen das SED-Regime zu unterstützen. Seinem politischen Gewissen und seiner Lebensgeschichte folgend, stimmte Knabe 1990 im Gegensatz zu vielen seiner Fraktionskollegen für die staats- und völkerrechtlichen Grundlagenverträge, die den Weg zur Deutschen Einheit am 3. Oktober 1990 ebneten.
Späte Kommunalpolitik
Nach er Bundespolitik zog es Knabe als Stadtverordneter und Bürgermeister 1994 in die Kommunalpolitik, wo er zusammen mit seinen grünen Parteifreunden und seinen schwarten Koalitionsgeschwistern das bundesweit erste schwarz-grüne Bündnis in einer deutschen Großstadt schmiedete und auch gegen Widerstände mittrug. In seiner Rede als Alterspräsident des Stadtrates mahnte er 1994 dazu, den Wert und die Verletzlichkeit von Freiheit und Demokratie nie aus den Augen zu verlieren. "Demokratie ist keine Selbstverständlichkeit, sondern harte Arbeit", sagte er damals. Und am Ende seiner Amtszeit sagte er bei einer Veranstaltung zur Europa-Wahl 1999: "Nur wenn es unseren Nachbarn gut geht, geht es auch uns gut!" Darin kam die ganze Weisheit seines langen und bewegten Lebens zum Ausdruck, die er auf allen politischen Ebenen angewendet sehen wollte.
Lesenswerte Autobiografie
Was Wilhelm Knabe seinen Mitmenschen über sein Leben zu sagen und mitzugeben hatte, hat er 2019 zusammen mit der Mülheimer Verlegerin Dr. Sigrid Krosse in seiner lesenswerten Autobiografie "Erinnerungen - Ein deutsches-deutsches Leben" niedergeschrieben.
Dieser Text erschien am 30.01.2021 im Mülheimer Lokalkompass
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