Sonntag, 24. Januar 2021

Handfeste Erinnerungsarbeit

 Die Rotarierin Melanie Bolks hat eine sehr persönliche Beziehung zu den Stolpersteinen, die seit 1993 von dem Kölner Künstler Gunter Demnig auch in Mülheim verlegt worden sind. Sie erinnern mit Namen und Lebensdaten an die unterschiedlichen Opfer der Nationalsozialisten. Der Großvater der aus Nordhorn stammenden Melanie Bolks, Heine Bolks, wurde 1943 als Mitglied des christlichen Widerstandes gegen Hitler hingerichtet.

Umso trauriger war die Wahl-Mülheimerin Melanie Bolks, als sie beim Gang durch die Stadt immer wieder feststellte, in welch verschmutztem und würdelosen Zustand sich die 168 Stolpersteine befanden, die an 89 Standorten im Stadtgebiet verlegt worden sind. Mit ihrer Idee, die Stolpersteine mithilfe von Messingreiniger wieder glänzen zu lassen, lief sie bei ihren 42 rotarischen Freunden im Rotary Club Mülheim-Uhlenhorst offene Türen ein. "Gerade heute, da auch bei uns extreme und menschenverachtende Ideologien in Teilen der Bevölkerung wieder Anklang finden, müssen wir ein Zeichen setzen", sagt Club-Präsident Robert Gerlach. Und Melanie Bolks ergänzt in der Rückschau auf den Aufstieg der Nationalsozialisten: "Wehret den Anfängen."

Rückblende: Die 1925 gegründete NSDAP-Kreispartei war 1929 erstmals mit einem Stadtverordneten ins Stadtparlament eingezogen. Auf dem Höhepunkt der Weltwirtschaftskrise waren 1932 in Deutschland 6 von 64 Millionen Menschen und in Mülheim 17.000 von 125.000 Einwohnern ohne Arbeit. Nach der Kommunalwahl vom 12. März 1933 stellte die NSDAP mit 23 Stadtverordneten erstmals die stärkste Ratsfraktion. So konnten die von Karl Kamphausen angeführten Mülheimer Nationalsozialisten die Ehrenbürgerschaft Hitlers und den Ausschluss jüdischer Unternehmer von städtischen Auftragsvergaben durchsetzen.

Zurück ins Heute: Ganz bewusst haben die Rotarier aus dem Club Mülheim-Uhlenhorst ihre handfeste Erinnerungsarbeit für saubere Stolpersteine in der Woche vor dem 27. Januar geleistet. Denn der 27. Januar ist der internationale Holocaust-Gedenktag. Am 27. Januar 1945 befreite die Rote Armee das Konzentrationslager Auschwitz. Insgesamt sechs Millionen jüdische Menschen wurden während des Holocaust ermordet. 270 von ihnen kamen aus Mülheim. Mehr als 7000 Mülheimer verloren während des Zweiten Weltkrieges ihr Leben.

Erinnerung an 168 Mülheimer NS-Opfer

Ihre handfeste Erinnerungsarbeit an den insgesamt 168 Mülheimer Stolpersteinen beendeten die Rotarier aus dem Club Mülheim Uhlenhorst am 23. Januar mit dem an der Auerstraße 59 für den 1914 geborenen und 1941 ermordeten Benjamin Traub verlegten Stolperstein. "Benjamin Traub gehörte zu den Euthanasie-Opfern, die von den Nazis ermordet wurden und die in der allgemeinen Erinnerungen oft zu kurz kommen", erklärt Melanie Bolks. Unter dem Decknamen Aktion T4 ließen die Nationalsozialisten 1940 und 1941 psychisch kranke sowie geistig und körperlich behinderte Menschen ermorden, deren Leben sie als "unwertes Leben" ansahen. Erst nach dem der in der Bevölkerung hochangesehene Münsteraner Bischof Clemens August von Galen während des Sommers 1941 die Euthanasie-Morde öffentlich anprangerte, wurde die Aktion zwischenzeitlich eingestellt, ehe sie später dann doch unter strenger Geheimhaltung und im geringeren Umfang wieder fortgesetzt wird.

Die Lebensgeschichte des Benjamin Traub und die ebenfalls vom Arbeitskreis Stolpersteine zusammengetragenen weiteren 167 Mülheimer NS-Opfer-Biografien kann man auf der Internetseite des Stadtarchivs unter: www.stadtarchiv-mh.de nachlesen.


Dieser Text erschien am 23.01.2021 im Lokalkompass Mülheim

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