Mittwoch, 23. Oktober 2013

Politiker im Spiegelbild der Satire: Warum der Kabarettist Rene Steinberg von den Ecken und Kanten der Politiker lebt, aber immer weniger davon findet

Die von der Leyens, Schloss Koalitionsstein und Sarko de Funes haben ihn bei den Hörern des Westdeutschen Rundfunks bekannt und beliebt gemacht. Seit mehr als zehn Jahren nimmt der Mülheimer Radio-Comedian, Kabarettist und Satiriker Rene Steinberg Politiker aufs Korn und hat dafür gerade erst von den Mülheimer Karnevalisten die Spitze Feder für seine Verdienste um das freie Wort zuerkannt bekommen.

Doch bevor Steinberg die Feder spitzen und in seinem Saarner Heimstudio Sketche und Glossen produzieren kann, muss er erst mal Politiker finden, die satirefähig sind.

Das wird immer schwieriger, weil die meisten Politiker heute glatt gebügelt sind und schon sehr früh ihre ersten Medientrainings hinter sich gebracht haben, gibt Steinberg zu. Eine Ausnahmeerscheinung, aber auch ein Beweis dafür, wie unsere schnelllebige Mediendemokratie heute funktioniert, war für ihn da der gescheiterte SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück. Der hat es ja mit Ecken und Kanten und Klartext versucht und dafür gleich eins auf die Fresse bekommen, erinnert sich Steinberg an den Bundestagswahlkampf. Auch aus Gesprächen mit Politikern weiß der Satiriker, dass sich viele Politiker gar nicht mehr trauen, wirklich zu sagen, was ihnen auf der Zunge liegt, weil sie dass dann sofort von den Medien, vom politischen Gegner, aber auch von den eignen Leuten um die Ohren gehauen bekommen. Als Radiokabarettist, der mit seinen Sketchen auch eine Haltung transportieren möchte, findet es der 40-Jährige schade, dass die Medien Politikern heute kaum noch Zeit dazu lassen, Ecken, Kanten und damit ein eigenes Profil zu entwickeln.

Ein so pfundiger Typ, wie Franz-Josef Strauß, der auch mal einen markigen Satz rausgehauen hat, hätte es in der heutigen Medienlandschaft viel schwerer, sich auf Dauer politisch zu halten, glaubt Steinberg. Er kann verstehen, dass manche altgediente Kabarettisten noch heute auf politische Charakterköpfe, wie Strauß oder Willy Brandt zurückgreifen. Ihn selbst würde es aber nicht reizen, auf einer starken Nummer immer wieder herumzureiten. Hat Steinberg, der von den Ecken und Kanten der Politiker lebt, Angst vor der Profillosigkeit und einem Regierungswechsel, der ihm den einen oder anderen übrig gebliebenen Charakterkopf stehlen könnte? Diese Angst habe ich mir abgewöhnt, sagt Steinberg mit einem Lächeln und fügt hinzu: Das ist das Berufsrisiko. Das ist im Paket mit drin. Das ist aber auch die spannende Herausforderung, sich auf neue Köpfe einzulassen.

Doch dann gibt Steinberg zu, dass ihm die Abwahl des französischen Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy, alias Sarko de Funes, schon etwas weh getan hat und das er sich freut, dass sich in Frankreich ein Comeback Sarkorzys abzeichnet. Der Sarkozy war mit seinem überzogenen Selbstbewusstsein, das auch keine Angst vor einem peinlichen Fettnäpfchen hatte, einfach genial, findet Steinberg.

Doch auch bei einigen deutschen Politikern sieht er den satirereifen Moment-mal-Effekt, der Menschen zum Widerspruch reizt. Die perfekte Übermutti Ursula von der Leyen, die scheinbar mühelos Politik und Familie unter einen Hut bringen kann und damit vor allem bei vielen Frauen Opposition hervorruft, ist für ihn ebenso ein Politikertyp wie Bundesumweltminister Peter Altmeier, weil der einen Hintern in der Hose hat und im hektischen Politikbetrieb so eine gemütliche Gelassenheit ausstrahlt, mit der er seinen Riemen durchzieht.

Sein Traum, daran lässt Steinberg keinen Zweifel, wäre ein Duell der Kanzlerkandidatinnen Hannelore Kraft (SPD) und Ursula von der Leyen (CDU), weil dass zwei Frauen sind, die eine direkte zupackende Art haben und denen man noch abnimmt, dass sie eine politische Mission haben und weil das für mich natürlich auch ein akustisches Heimspiel wäre.Aber, so glaubt Steinberg: Den beiden müssen wir noch etwas Zeit lassen.

An seiner Mülheimer Landsfrau, die er zu Beginn ihrer Düsseldorfer Regierungszeit als Ministerpräsidentin 2010 im Hanni- und Löhrmanni (in Anlehnung an die Grüne Schulministerin Sylvia Löhrmann)-Minderheitsregierungsferiencamp besuchte, fasziniert ihn ihre direkte und zupackende Art, die sie leicht auf Menschen zugehen und ihre Politik vermitteln lässt, weil sie sich ihren Ruhrpottsprech bewahrt und keinen Politikersprech angewöhnt hat.

Beim CDU-Kanzleramtsminister Roland Pofalla gefällt Steinberg dessen Image als politischer Musterknabe und eilfertiger Diener seiner Kanzlerin in Verbindung mit seiner nasalen Aussprache, mit der er als Bürogehilfe im Schloss Koalitionsstein immer wieder betont: Das ist ja genial Frau Dr. Merkel. Auch bei SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles sieht er nach ihrer Pippi-Langstrumpf-Gesangseinlage zumindest Ansätze zur Satirefähigkeit, die aber noch ausgebaut werden müsse.

Bei Nahles ist sich Steinberg noch nicht so sicher, ob sie diesen zweidimensionalen Charakter und die inhaltlich Substanz hat, die man braucht, um eine Figur zu entwickeln. Eine kabarettreife Politikerfigur vergleicht Steinberg mit einer guten Zeitungskarikatur, die Politiker ja auch nicht 1:1 abbildet, sondern sie verzerrt und überzeichnet, in dem sie markante Charakterzüge herausarbeitet.

Ausgesprochen lieb sind Steinberg Politiker, bei denen man auch einen inhaltlichen Anpack und ein Thema hat, an dem man sich abarbeiten kann. Gerne erinnert er sich in diesem Zusammenhang daran, dass die damalige Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen 2007 ihre Karriere in Steinbergs Tonstudio begann, als sie mit ihren Kindern Krippenplätzchen backte, während sie in Berlin für mehr Kindergartenplätze stritt. Und auch an das Aachen Mädel Ulla(la) Schmidt, die als sozialdemokratische Bundesgesundheitsministerin mit der inzwischen wieder abgeschafften Praxisgebühr ins kabarettistische Fadenkreuz geriet, ist ihm als politische Type in bester Erinnerung geblieben. Auch am Ex-FDP-Chef Philipp Rösler arbeitete sich Steinberg ab, nachdem dieser als Witzerzähler im Bierzelt kläglich gescheitert war. Aber dann hat er schnell die satirische Lust an Rösler verloren, weil da zu wenig Tiefe und Substanz drin war und es keinen Spaß macht, auf jemanden drauf zu hauen, der schon am Boden liegt.


Dieser Text erschien am 19. Oktober 2013 in der Neuen Ruhr Zeitung

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