Freitag, 11. Oktober 2013

Natürlich leben und arbeiten: Ein Gespräch mit den beiden Dümptener Landwirten Christiane in der Beeck-Bolten und Andreas Bolten über ein Landleben, das mit einem Landidyll nichts zu tun hat

Erntedank hat für uns eine besondere Bedeutung. Denn wir leben von und mit der Natur, sind sich Christiane in der Beeck-Bolten und ihr Mann Andreas Bolten einig. Seit ihrer Hochzeit 2009 bewirtschaften die 32-jährige Agrarwissenschaftlerin und der Agrarbetriebswirt (36) den Dümptener Bauernhof im Dreistädteeck zwischen Mülheim, Oberhausen und Essen.

Sie führen damit eine jahrhundertealte Familientradition fort. 2006 übergaben Heinz und Edith in der Beeck die Leitung des Hofes in die Hände ihrer Tochter Christiane. Das bedeutet aber nicht, dass sich die beiden 71-Jährigen ganz aus dem Familienbetrieb zurückgezogen hätten. Während wir uns hier über die Lebensform Landwirtschaft unterhalten, fährt mein Schwiegervater für mich mit der Sämaschine über den Acker. Denn wir müssen die Getreidesaat in das Saatbett bekommen, ehe der angesagte Regen kommt, erzählt Andreas Bolten. Und seine Frau, die gerade mit ihrer zweieinhalbjährigen Tochter Marlene Eier ihrer Freilandhühner aufgesammelt hat, fügt hinzu: Meine Mutter ist die gute Seele des Hofladens und kümmert sich um den Blumenacker. Hier hat jeder sein Steckenpferd und sein Spezialgebiet.

Für die junge Landwirtin, die auch schon mal mit einem Leben als Tierärztin geliebäugelt hatte, steht fest: Weil wir ein Familienbetrieb sind, funktioniert das nur, wenn alle Hand in Hand arbeiten und an einem Strang ziehen. Mit an diesem Strang ziehen auch Christianes Schwester Michaela, die ihren Lebensunterhalt als Informatikerin verdient und Christianes Nichte Kim, die regelmäßig im Hofladen mithilft. Dann stehen wir da mit drei Generationen, freut sich Christiane in der Beeck-Bolten.

Auch ihr Mann Andreas möchte die hilfreiche Hand seiner Schwägerin ebenso wenig missen wie den Erfahrungsschatz seiner Schwiegereltern. Das kann man nicht auf der Schulbank lernen. Das ist ein Wissen, das über Jahrzehnte gewachsen ist, staunt Andreas Bolten immer wieder über die Detailkenntnisse seines Schwiegervaters, wenn es um die Bodenbeschaffenheit von Äckern und Feldern geht.

Nur weil die Generationen auf dem Hof zwar nicht unter einem Dach, aber doch Tür an Tür leben, können sich Christiane In der Beck-Bolten und ihr Mann in der dritten Augustwoche, zwischen Getreide- und Kartoffelernte, einen Urlaub an der Küste erlauben. Die Freizeit kommt bei uns zu kurz. Irgendwie hängt man mit seinen Gedanken ja immer im Betrieb, geben die beiden zu. Wenn wir hier auf dem Hof sind, können wir die Tür nicht einfach zumachen. Unser Zuhause ist auch unser Arbeitsplatz, berichtet sie. Auch wenn wir die Kinder ins Bett gebracht haben, sitzen wir oft zusammen und besprechen betriebliche Dinge.

Was soll wo und wie angebaut werden? Welche Geräte müssen angeschafft werden? Stimmt die Buchführung? Sind alle Umweltauflagen erfüllt? Wie könnte man das Angebot erweitern und den Hof noch wirtschaftlicher machen? Heute funktioniert ein Bauernhof nicht nur, wenn man einen guten Boden hat und die Kultur- und Pflanzenführung beherrscht. Mindestens 30 Prozent unseres Arbeitsalltages bestehen aus Bürokratie und Betriebswirtschaft, schildert Bolten das Arbeiten zwischen Ökonomie und Ökologie.

Als reiner Ackerbaubetrieb wären wir nicht überlebensfähig. Der Hof funktioniert nur, weil wir mit unseren Produkten (Kartoffeln, Eiern, Backwaren, Erdbeeren, Spargel, Kürbisse, Weißkohl, Blumen) auf vielen Seilen tanzen und sie über unseren Hofladen direkt vermarkten, beschreibt der Agrarbetriebswirt das wirtschaftliche Erfolgsgeheimnis des Hofes, zu dem neben der Dümptener Landwirtschaft auch ein kleiner Hof in Willich gehört, den er von seinem verstorbenen Vater übernommen hat.

Obwohl Bolten auf Anraten seines Vaters als Kommunikationselektroniker und Patentingenieur ein Berufsleben neben der Landwirtschaft führte, stand für ihn immer fest: Ich will Landwirt werden. Es ist ein gutes Gefühl, wenn man naturverbunden für sich selbst arbeitet, findet auch seine Frau. Irgendwie wird man da reingeboren, aber Ja sagen zum Leben in der Landwirtschaft muss man schon selbst, meint die Bauerntochter.

Sie und ihr Mann freuen sich zurzeit über ein auskömmliches Einkommen und würden dieses Lebensmodell immer wieder wählen. Dennoch schmunzeln sie über Besucher, die ihnen vorschwärmen: Das sieht ja hier so schön aus. Ich würde auch mal gerne einen Bauernhof betreiben. Arbeiten Sie doch mal ein paar Wochen mit, bietet Christiane dann scherzhaft an. Und ihr Mann Andreas stellt klar: Das ist ein Landleben, aber keine Landidylle. Da steckt viel Arbeit drin, die man auch beim Urlaub auf dem Bauerhof nicht sehen kann. Wenn der Hühnerstall gereinigt oder im Januar zum x-tenmal die Folien für die Erdbeeren gezogen werden müssen, ist das keine reine Freude.

Die körperlich anstrengende und witterungsabhängige Arbeit kennt trotz eines Angestellten, einer Praktikantin und eines Auszubildenden keine Pause - und führt zu einem anderen Blickwinkel. Wenn man in der Produktion drinsteckt, weiß man den Wert der Lebensmittel ganz anders zu schätzen. Man weiß, dass ein gut gefülltes Supermarktregal nicht selbstverständlich ist, weil man täglich erlebt, dass wir nicht die letzten Entscheider sind, wenn das Wetter nicht auf unserer Seite ist, sagt das Landwirtspaar: Wir wissen, dass wir unseren Boden und die Natur pflegen müssen, wenn er die Früchte tragen soll, von denen unsere Existenz abhängt.

Und sie sehen durchaus sorgenvoll in die Zukunft. Wenn man weiß, dass immer mehr Böden versiegelt werden, aber die Erdbevölkerung wächst, fragt man sich schon, wie lange das mit der Lebensmittelproduktion gut gehen kann, sagt Bolten nachdenklich. Wenn die Erde sich erwärmt und die Trockenheit zunimmt, wird die Landwirtschaft nicht leichter, glaubt Christiane in der Beeck.

Ob ihre noch kleinen Kinder Marlene und Clemens später einmal den Hof und ihre Lebensweise übernehmen? Die Eltern würden sich darüber freuen. Aber wenn sie es nur aus Tradition täten, wäre es sicher ein Fehler, sagt Andreas Bolten.

Dieser Text erschien am 5. Oktober 2013 in der Neuen Ruhr Zeitung

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