Manche Dinge sind so offensichtlich, dass man sie schon gar nicht mehr sieht. So geht es mir mit dem Säulenbrunnen von Ernst Rasche auf der Schloßstraße. Der ist zwar als Kunst am Straßenbau zweifellos sehr sehenswert. Doch da ich ihn auf meinen Wegen durch die Innenstadt eigentlich jeden Tag sehe, sehe ich ihn kaum noch. Das nennt man wohl Stadtblindheit.
Doch gestern sah ich genauer hin, weil ich gar nichts mehr sah, zumindest nichts mehr von dem oft unbeachteten, aber doch vertrauten Kunstbauwerk. Denn das war großräumig von Planen abgedeckt. Man sah nichts mehr, sondern hörte nur noch etwas. Das war aber kein liebliches Wassergeplätscher, sondern stattdessen drang geschäftiges Maschinengetriebe an mein Ohr. Bau an der Kunst, statt Kunst am Bau?!
Sollte sich der Verhüllungskünstler Christo etwa nach Mülheim verirrt haben? Doch die Wirklichkeit ist profaner: Rasches sprudelndes Meisterwerk bleibt noch bis zum 3. Mai verhüllt, weil es gereinigt und abgedichtet werden muss, damit uns in der Innenstadt nicht noch wirklich das Wasser bis zum Hals steht und wir buchstäblich baden gehen. Auch wenn in diesem Fall offensichtlich nicht Christo am Werk war, wird die zwischenzeitliche Verhüllung vielleicht doch dazu führen, dass wir den altbekannten Brunnen bald wieder mit neuen Augen sehen. Denn schon der Mülheimer Dichter Hermann Adam von Kamp wusste: "Alle neu macht der Mai."
Dieser Text erschien am 30. April 2013 in der Neuen Ruhr Zeitung
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