Montag, 15. April 2013

Mülheimer Stiftungen: Zum Beispiel die Ginko-Stiftung

„Es braucht ein ganzes Dorf, um ein Kind zu erziehen“, sagt ein afrikanisches Sprichwort. In diesem Sinne versteht sich auch das Gesprächs- Informations- und Kontaktzentrum Ginko als Teil der Mülheimer Dorfgemeinschaft, die dafür sorgt, dass das Kind erst gar nicht in den Brunnen fällt. Was 1979 als ehrenamtliche Initiative des Grafikers und Sozialtherapeuten Peter Chwalczyk begann, hat sich zu einer professionellen Fachstelle für Suchtvorbeugung entwickelt. Sie arbeitet inzwischen nicht mehr nur in Mülheim, sondern koordiniert und berät im Auftrag des Landes Nordrhein-Westfalen die praktische Suchtvorbeugung in 110 Kreisen und Städten.


„Das ist in gewisser Weise auch unser Problem. Weil unsere Koordinierungsarbeit zu 100 Prozent vom Land finanziert wird, glauben viele Menschen, dass wir für unsere praktische Arbeit in Mülheim finanziell gut ausgestattet seien. Dabei haben wir fast jedes Jahr ein strukturelles Defizit von 20?000 bis 40?000 Euro“, berichtet Ginko-Mitgründer Hans-Jürgen Gass.

Der Sozialarbeiter und Pädagoge Norbert Kathagen, die Sozialwissenschaftlerin Anna Segeth, die Psychologin Ulrike Weihrauch und der Sozialpädagoge Hans-Jürgen Haak begleiten und beraten als Profis in Sachen Suchtvorbeugung Jugendliche und junge Erwachsene, durch kritische Lebensphasen. Außerdem gehen die Ginko-Mitarbeiter mit Workshops in Kindertagesstätten, Schulen, Jugendzentren und Betriebe, um dafür zu sorgen, dass Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene erst gar nicht auf Alkohol, Nikotin, Cannabis oder andere Suchtmittel abfahren. Auch bei Eltern, Pädagogen und Ausbildern ist ihr Rat gefragt.

„Seit den Tagen von Peter Chwalczyk, der damals das noch neue Medium Videofilm nutzte, um Jugendliche von einer Sucht abzuhalten oder sie wieder davon abzubringen, arbeiten wir nicht mit erhobenem Zeigefinger, sondern individuell zugewandt und kreativ“, berichtet der Ginko-Gründer Gass, der die Fachstelle an der Kaiserstraße als „unsere Werkstatt“ bezeichnet. Denn hier werden die Konzepte und Ideen entwickelt, die später in ganz NRW Schule machen sollen. Doch diese professionelle Basisarbeit kostet Geld. Dieses Geld soll auch die 1997 ins Leben gerufene Ginko-Stiftung einbringen. Denn die 170?000 Euro, die jährlich von Land und Stadt als Zuschuss in die Mülheimer Ginko-Kassen fließen, decken eben nicht die tatsächlichen Kosten der vor Ort geleisteten Arbeit ab.

Deshalb werben Stiftungsvorstand Hans-Jürgen Hallmann und die Kuratoriumsvorsitzende Andrea Laubenstein bei Bürgern, Vereinen und Gruppen um Spenden und Zustiftungen. Sie warnen davor, sich angesichts offensichtlicher Erfolge in der Suchtvorbeugung „an Sucht zu gewöhnen“ und neue Herausforderungen, wie die steigende Zahl von depressiven Jugendlichen zu unterschätzen.

Zurzeit erbringt das unter anderem von Geschäftsleuten gestiftete Stammkapital von 50?000 Euro jährlich 1600 Euro, die dem Ginko-Budget zugute kommen. Hinzu kommen rund 6000 Euro aus Bußgeldern. Die werden zum Beispiel bei der Einstellung eines Gerichtsverfahrens an gemeinnützige Organisationen überwiesen.

„Wir bräuchten ein Stammkapital von einer Million Euro, um unsere Arbeit wirklich nachhaltig aus Stiftungsmitteln mitfinanzieren zu können“, weist Ginko-Mitgründer Gass in die Zukunft. Doch das dürfte vorerst noch Zukunftsmusik bleiben. Aber eine Stiftung braucht ja auch Ziele.

Dieser Text erschien am 14. Dezember 2012 in der Neuen Ruhr Zeitung

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