Dass er seit über 40 Jahren in der Altstadt lebt und arbeitet, empfindet der 85-jährige Bildhauer Ernst Rasche als „ein großes Glück.“ In seinem Haus an der Teinerstraße – es ist das Elternhaus seiner verstorbenen Frau Elisabeth – sind die Übergänge zwischen Wohn- und Arbeitsraum fließend. Überall begegnet man kleinen Skulpturen. Schon das Kreuzrelief an der Eingangstür deutet an, aus welchen geistigen Quellen der Künstler Rasche schöpft.
Als er jüngst, 50 Jahre nach der Verleihung des ersten Ruhrpreises den Ehrenring der Stadt bekam, hat Rasche sein Selbstverständnis als Künstler und Mensch selbst so beschrieben: „Der Antrieb und die Gabe, mich schöpferisch auszudrücken, hat mein Leben reich gemacht. Aus der Gabe des schöpferischen Tuns und der damit verbundenen Freude und Begeisterung habe ich auch immer eine Verpflichtung abgeleitet, die Verpflichtung, mich zurück- und meine Mitmenschen in den Dialog hineinzunehmen, sie teilhaben zu lassen an meiner Freude und meiner Dankbarkeit gegenüber meinem Schöpfer.“
Als Treffpunkt und Ort des Dialogs hatte Rasche auch seine Brunnenlandschaft auf der Schloßstraße konzipiert. Ein Teppich aus Pflastersteinen verbindet Brunnen, Kugel und Klettersäulen, macht das Kunstwerk im öffentlichen Raum begeh-, begreif- und benutzbar. „Es ist ein schönes Gefühl, heute an meinen Kunstwerken vorbeigehen zu können und zu wissen, dass sie von der Öffentlichkeit auch angenommen werden“, sagt Rasche.
1973 hat er die tonnenschwere Brunnenlandschaft dem Granit abgerungen. Damals war die City im Aufbruch, wurde die Schloßstraße zu einer der ersten westdeutschen Fußgängerzonen. Heute empfindet der Künstler, der als Sohn eines Steinbildhauers an der Zeppelinstraße aufwuchs, „den Zustand der Innenstadt als betrüblich.“ Rasche glaubt, dass die Hauseigentümer der Innenstadt zu lange zu hohe Mieten verlangt haben und es versäumten, sich rechtzeitig zusammenzusetzen und ein gemeinsames Konzept für die Innenstadt zu entwickeln. Rasche warnt aber auch davor, alles schlecht zu reden. „Das ist eine Durststrecke, die wir überstehen müssen. Wir brauchen visionäre Ideen und Entscheidungen, damit sich die Stadt weiter entwickeln kann“, glaubt der Bildhauer. Ruhrbania nennt er „eine Riesenaufgabe“ und das Petrikirchenhaus in der Altstadt sieht er als Chance „für einen Ort der Begegnung, der Menschen anzieht.“ Auch im Bereich Althofstraße und Hagdorn könnte er sich ein attraktives Wohnquartier mit Grünflächen vorstellen, wenn die beiden auf dem Kirchenhügel ansässigen Gemeinden ihre Grundstücke zusammenlegen und die jetzt noch für Verwaltungsaufgaben genutzten Gebäude umbauen würden. Mehr Wohnraum. Das würde aus seiner Sicht mehr Menschen und mehr Leben auf den Kirchenhügel bringen. Der 1926 geborene Mülheimer, der den Zweiten Weltkrieg schwer verwundet überlebte und später an der Düsseldorfer Kunstakademie unter anderem bei Otto Pankok studiert hat, kennt noch die alte Altstadt. Sie existierte bis zum großen Luftangriff 1943 und war sehr viel dichter mit Fachwerkhäusern bebaut, als das, was heute vom historischen Stadtkern übriggeblieben ist.
Natürlich hat der von einem christlichen Elternhaus geprägte und in der katholischen Jugendarbeit von St. Mariae Geburt groß gewordene Rasche als Bildhauer auch auf dem Kirchenhügel seine Spuren hinterlassen. Sowohl in der Petrikirche als auch in der Marienkirche tragen die Altarräume seine Handschrift. In St. Mariae Geburt schuf er unter der Orgelempore einen Kreuzgang aus Schiefer mit 60 Figuren und an der Kopfwand des Altarraumes ein in Kreuzform angelegtes Himmlisches Jerusalem. In der Petrikirche hat er unter anderem Chorfenster, Beleuchtungskörper und den Ort der Predigt geschaffen. „Im Kirchenraum muss die eigene Kunst erkennbar bleiben, ohne zu laut hervorzutreten“, glaubt Rasche.
Dieser Text erschien am 29. Dezember 2011 in NRZ und WAZ
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