Klemens Kindermann |
Ich bin ein großer Zahlenfreund, beschreibt sich Kindermann. Der Wirtschaftsjournalismus reizt ihn deshalb, weil er nicht nur mit Hilfe der Zahlen Entwicklungen klar beschreiben kann und sehr nah an der Lebenswirklichkeit der Menschen dran ist. Wirtschaftsjournalismus, das ist für ihn nicht nur in Krisenzeiten das Ergründen unserer tatsächlichen Lebensumstände und damit die Antwort auf die Frage, wie es uns eigentlich geht
Kindermann stellt fest, dass sich der Wirtschaftsjournalismus in den letzten 20 Jahren sehr gewandelt hat. Früher hat er sich vor allem auf die Unternehmensberichterstattung konzentriert und sich nur an eine überschaubare Zahl von Mediennutzern gewandt, die an den Aktienmärkten aktiv waren. Heute, so Kindermann, sind 70 oder 80 Prozent der politischen Berichterstattung durch Wirtschaftsthemen dominiert. Deshalb beschäftigen sich heute auch viele Kollegen, die eigentlich keine Wirtschaftsjournalisten sind, mit Ankäufen von Staatsanleihen und Rettungsschirmen. Der Wirtschaftsjournalismus ist nach Kindermanns Ansicht längst aus seinem umgrenzten Sektor herausgetreten und sehr dominierend geworden, weil politische Entscheidungen in Zeiten der Staatsschuldenkrise nur mit Hilfe wirtschaftlicher Analysen zu erklären und zu verstehen sind.
Aber wie klar sind eigentlich die Zahlen, die Kindermann und Kollegen täglich kommunizieren und kommentieren? Überfordert die Krise, in der sich Otto Normalverbraucher fragt, wie sicher sein Geld und seine wirtschaftliche Zukunft sind, am Ende auch die, die ihre ökonomischen Ursachen und Mechanismen erklären sollen? Wir müssen als Wirtschaftsjournalisten einen Pfad durch das Dickicht der Zahlen schlagen und diese bewerten und Entwicklungen aufzeigen, die für unsere Zuhörer wichtig sind. Das ist keine Überforderung, sondern eine Herausforderung, betont Kindermann. Dabei sieht er die Börse nur als einen Richtungsanzeiger dafür, wohin die Reise des Tages geht. Darüber hinaus, so unterstreicht er, hätten seine Kollegen und er aber schon nach der Lehman-Pleite 2008 auf den hohen Schuldenstand der Industriestaaten und deren langfristigen Folgen hingewiesen. Das ist kein Fischen im Trüben, ist Kindermann mit Blick auf die durch Zahlen und Fakten fundierten Analysen seiner Zunft überzeugt. Die Gretchen-Frage nach der Geldwertstabilität beantwortet der Wirtschaftsjournalist mit einem Sowohl als auch: In den nächsten zwei bis drei Jahren müssen wir uns in Deutschland keine Sorgen um eine Inflation machen aber mittelfristig müssen wir in den nächsten zehn Jahren sehr genau darauf achten, dass die hohe Schuldenaufnahmen nicht die Neigung der Staaten fördert, sich über Inflation zu entschulden.
Das ist seine Prognose. Doch Kindermann räumt ein, dass noch so fundierte Wirtschaftsprognosen langfristige volks- und weltwirtschaftliche Entwicklungen nicht sicher vorhersagen können. Grundsätzlich sieht der Wirtschaftsjournalist Geldanleger dann am besten aufgestellt, wenn sie nicht nur auf eine Anlageform setzten, sondern ihr Vermögen möglichst breit streuen von Immobilien und Gold über Aktien großer Unternehmen bis hin zur oft gescholtenen Staatsanleihe, die nach seiner Ansicht künftig wieder eine größere Bedeutung gewinnen wird. Aber auch bei den zurzeit besonders populären Anlageformen Immobilien und Gold warnt er vor Überbewertungen und hohen Preisen, die Otto Normalverbraucher draufzahlen ließen, wenn er um jeden Preis kaufen würde.
Darf der Staatsbürger, Verbraucher und Geldanleger denn dem politischen Krisenmanagement in der Europäischen Union vertrauen? Sicher verstehen viele in der Politik nicht alles, was auf den Finanzmärkten gemacht wird, glaubt Kindermann.
Dennoch hält er das politische Krisenmanagement für besser als dessen Ruf es vermuten ließe, weil es sich am Ende als richtig erweisen könnte, nicht von Anfang an mit ganz viel Geld überall die großen Brände zu löschen, sonder Schritt für Schritt vorzugehen und erst mal fiskalische Grundregeln und eine europäische Bankenaufsicht aufzustellen, um die Staatsverschuldung einzudämmen.
Denn genau dieses Übel, dass die Staaten mehr Geld ausgeben, als sie haben, wird uns, so glaubt der Mülheimer Wirtschaftsmann vom Deutschlandfunk, noch lange zu schaffen machen. Er befürchtet: Wenn unsere Wirtschaft mal nicht mehr so gut läuft und unsere sozialen Sicherungssysteme vielleicht nicht mehr durch eine relativ niedrige Arbeitslosenzahl entlastet werden, werden wir in in einigen Jahren wieder verstärkt darüber diskutieren, was unser Sozialstaat noch leisten kann.
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