Sonntag, 11. Februar 2024

Gut gefahren?

 Der Klimawandel ist ein sozialer Megatrend, dem sich niemand entziehen kann. Der Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs und die Reduzierung des motorisierten Individualverkehrs ist zweifellos eine Handlungsoption, um denklimaschädlichen CO2-Ausstoß signifikant zu senken. Folgt man den Angaben und Berechnungen des Umweltbundesamtes sowie den Statistikern des Statistischen Bundesamtes  und der EU-Statistikbehörde Eurostat, so zeigt sich aktuell folgende Ausgangslage.

Der Straßenverkehr ist für 22 Prozent der klimaschädlichen Treibhausgasemissionen verantwortlich. Zum Vergleich: Die Energiewirtschaft stößt 37 Prozent, Industrie und Gewerbe 23 Prozent und die privaten Haushalte 17 Prozent der Treibhausgase aus. Im Weltmaßstab produziert Deutschland 2,5 Prozent der globalen CO2-Emissionen.  Abhängig davon, mit welchen Fahrzeugen man den Öffentlichen Nahverkehr organisiert, lassen sich im Verkehrssektor 40 bis 80 Prozent der Treibhausgasemissionen einsparen.

Vor diesem Hintergrund fragte sich jetzt die Kommunalpolitische Vereinigung der Mülheimer und Duisburger CDU: "Wie läuft es eigentlich mit Bus und Bahn?" Das am 7. August 2023 in Mülheim eingeführte Busnetzes, das unter anderem den Wegfall des Kahlenberg-Astes der Straßenbahnlinie 104 kompensieren soll, mangelnde Pünktlichkeit, zum Teil überfüllte Busse und Personalmangel bei der Ruhrbahn, aber auch ein jährlicher Zuschussbedarf, der sich auf der Mülheimer Seite auf 35 Millionen Euro beläuft, machen den öffentlichen Personennahverkehr zum Politikum, 

Dieses Politikum, verbunden mit den vergleichbaren, aber noch viel größeren Strukturproblemen der 1996 privatisierten Deutschen Bahn diskutierten Mülheimer und Duisburger Kommunalpolitiker der CDU mit ihrem Parteifreund, Frank Heidenreich, der für die CDU im Duisburger Stadtrat und in der Verbandsversammlung des Verkehrsverbundes Rhein-Ruhr (VRR) sitzt, wo er die CDU-Fraktion anführt.

Heidenreich nannte in seinem Impulsreferat die Diskussion anregende Zahlen: Mülheim und Duisburg sind zwei der sieben kreisfreien Städte, die zusammen mit sieben Landkreisen, die den VRR als Gewährsträger zusammen mit den Geldgebern Bund und Land das Fundament des größten Verkehrverbundes in Europa bilden. In einer Region mit 7,8 Millionen Einwohnern transportiert der VRR täglich 30 Millionen Fahrgäste und erwirtschaftet damit Einnahmen von jährlich 1,1 Milliarden Euro. Hinzu kommen 710 Millionen Euro, die Bund und Länder jährlich für die Mobilitätsdienstleistungen des VRRs zahlen. Doch der VRR muss von diesen 710 Millionen Euro 380 Millionen Euro für die Nutzung der DB-Infrastruktur (Gleise und Bahnhöfe) zahlen.

Da die Bundesrepublik Deutschland in den vergangenen Jahrzehnten nur ein Siebtel der Investiotionen für den Straßenbau in die Erhaltung und des Ausbau des noch aus Kaiser Zeiten stammenden Gleis- und Bahnhofsnetzes investiert hat, muss die im demografischen Wandel auch unter Personalmangel leidende DB zurzeit unter erschwerten Bedingungen einen riesigen Investitionsstau abarbeiten. Das gilt für den VRR und seine kommunalen Mitgliedsunternehmen, wie die Ruhrbahn im kleineren Vergleichsmaßstab auch.

Angesichts der von der schwarzgrünen Landesregierung angestrebten Verkehrswende, die den öffentlichen Personennahverkehr bis 2030 um 60 Prozent ausbauen will, ließ Frank Heidenreich durchblicken, dass er die Ausdünnung des Ruhrbahn-Fahrplans mit Verständnis für die finanzpolitische Zwangslage Mülheims, insgesamt kritisch sieht, weil sie in die entgegengesetzte Richtung weise. 

Das 175.000 Einwohner zählende Mülheim gilt mit insgesamt rund 90.000 Kraftfahrzeuge n zu den deutschen Städten mit der größten KFZ-Dichte. In der Ruhrstadt hat sich die Zahl der Kraftfahrzeuge seit Mitte der 1950er Jahre verneunfacht.

Der Mülheimer CDU-Stadtrat Dr. Siegfried Rauhut, der auch dem Aufsichtsrat der Ruhrbahn angehört, verteidigte den Mülheimer Sparkurs bei Bussen und Bahnen damit, "dass wir als Haushaltskonsolidierungskommune keinen Bock auf einen Sparkommissar aus Düsseldorf haben, der unseren kommunalpolitischen Spielraum auf Null reduzieren würde."

Der Vorsitzende der Kommunalpolitischen Vereinigung, Matthias Lincke, räumte ein, dass er: "das Neun-Euro-Ticket ausprobiert hat, dann aber aus Pünktlichkeits- und Bequemlichkeitsgründen wieder aufs Auto umgestiegen ist." Am Ende der Diskussion zeigte sich in folgenden Punkten ein Konsens: Erstens: U- Bahn- und Stadtbahntunnel sind ein überholtes Relikt aus den 1970er Jahren, als man noch das moderne und autogerechte Deutschland schaffen wollte, Und zweitens: Es wäre strategisch sinnvoller gewesen, die jeweils drei Milliarden Euro, die Bund und Land bisher in das Neun- und in das 49-Euro-Deutschland-Ticket investiert haben, in die Ertüchtigung der Bus- und Bahn-Infrastruktur zu investieren, ehe man an die Aufstellung eines kundenorientierten Tarifangebotes realisiere. "Die Menschen steigen erst dann dauerhaft vom Auto auf Bus und Bahn um, wenn diese sauber, sicher und pünktlich fahren,"


Zum Autor & Zur Ruhrbahn &Zum VRR & Zur CDU Mülheim an der Ruhr

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