Freitag, 21. Juli 2023

NOMEN EST OMEN

 Straßennamen können ein Politikum sein. Das zeigt der jüngste Zufallsfund des Mülheimer Heimatforschers Dirk von Eicken. Er hat auf einer wilden Müllkippe an der Holzstraße ein altes Straßenschild gefunden. Aufschrift: Adolf-Hitler-Straße. "Die Friedrichstraße hieß während der NS-Zeit-Adolf-Hitler-Straße", weiß von Eicken. 

In seinem Privatarchiv hat er auch ein amtliches Schreiben der Stadt Mülheim an seinen Großvater, die den Sonderstempel mit der "Hermann-Göring-Brücke" zeigt. Die Mendener Brücke wurde 1938 nach dem NS-Minister benannt, der sie bei einem Mülheim-Besuch im Juli 1933 passiert hatte.

In der Nummer 71 der Zeitschrift des Mülheimer Geschichtsvereins hat der vormalige Leiter des Katasteramtes, Wolfgang Meißner, unter dem Titel: "Zwischen Adlerhorst und Zwischen den Gärten" die wechselvolle Geschichte der Mülheimer Straßennamen beschrieben. In seinem Buch kann man zum Beispiel nachlesen, dass auch der Kaiserplatz als "Platz der SA" und die Heißener Straße als "Horst-Wessel-Straße" den politischen Zeitgeist des Drittenreiches widerspiegelte. 

Nationalsozialistische Schulnamen

Auch Mülheimer Schulen, wie etwa die heutige Martin-von-Tours-Schule und die heutige Karl-Ziegler-Schule bekamen nach der nationalsozialistischen Machtübernahme 1933 als Freikorps-Schulz-Schule und als Kirdorfschule Namenspatrone verpasst bekamen, die den Nationalsozialisten politisch genehm waren. Der Kommandeur des nach ihm benannten rechtsextremen Freikorps, Siegfried Schulz, wurde von der NSDAP ebenso als einer ihrer Wegbereiter angesehen, wie der im Uhlenhorst wohnende Bergbaumanager und Hitler-Förderer Emil Kirdorf.

Und weil der evangelische Pfarrer Ludwig Wessel, Vater des1930 erschossenen SA-Mannes Horst Wessel, zweitweise an der Heißener Straße gelebt hatte, wurde sie während der NS-Diktatur zur Horst-Wessel-Straße. Horst Wessel, der das gleichnamige Horst-Wessel-SA-Lied: "Die Fahne hoch, die Reihen fest geschlossen" gedichtet hatte war auch Namengeber der Mülheimer NSDAP-Parteizentrale, die sich zwischen 1933 und 1945 an der Hindenburgstraße, gleich gegenüber des Rathausturmeinganges befand.

Von Hindenburg zu Ebert

Auch die Hindenburgstraße, der Namensgeber als Generalfeldmarschall des Kaisers 1914 russische Truppen aus Ostpreußen vertrieben und als Reichspräsident 1933 Adolf Hitler zum Reichskanzler ernannt hatte, wurde 1949 nach Hindenburgs sozialdemokratischen Amtsvorgänger Friedrich Ebert umbenannt. Ihren alten Namen zurück bekam dagegen nach 1945 die Schulstraße. Sie war in der NS-Zeit nach Alfred Hugenberg benannt worden. Der deutschnationale Zeitungsverleger, Prateiführer und Reichsminister hatte als Koalitionspartner Hitler 1933 zur Macht verholfen.

Auch in späteren Nachkriegsjahrzehnten wurden in Mülheim politisch fragwürdige Straßennamen "demokratisiert." So wurde aus der Dr. Karl-Peters-Straße, benannt nach einem kaiserlichen Kolonialisten 1995 nach der "Grundgesetz-Mutter" und sozialdemokratischen Juristin Elisabeth Selbert umbenannt. Ihr haben wir die verfassungsrechtliche Gleichstellung von Frauen und Männern (Artikel 3/GG) zu verdanken. Gleichzeitig wurden die Adolf-Stöcker-Straße und der Adolf-Stöcker-Platz in Dümpten nach Anne Frank umbenannt. Damit ersetzte das durch sein Tagebuch postum weltberühmt gewordene Holocaust-Opfer, Anne Frank, den antisemitischen Hofprediger Kaiser Wilhelm II.

Umstrittener Straßenname

Auch heute erinnern uns Straßennamen in Mülheim an prägende Repräsentanten unseres inzwischen demokratischen und wiedervereinigten Staates. Beispielhaft dafür sei an den Kurt-Schumacher-Platz und an den Hans-Böckler-Platz, an die Konrad-Adenauer-Brücke. Umstritten bleibt bis heute die Fritz-Thyssen-Straße, die Dümpten und Styrum miteinander verbindet. Sie trägt seit 1967 den Namen des Mülheimer Industriellen Fritz Thyssen, der sich vom Förderer zum Gegner Hitlers gewandelt hatte.


Mülheimer Presse


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