Mittwoch, 10. Mai 2023

"Menschen sind Menschen und Politik ist Politik!"

Die Weltpolitik betrifft auch Mülheim. Das machte Oberbürgermeister, Marc Buchholz, am Freitag bei einer Feierstunde im Ratssaal deutlich. 25 Aktive der 1992 von Dagmar van Emmerich ins Leben gerufenen Initiative Tschernobyl-Kinder wurden von Buchholz mit einer Urkunde und mit einem Eintrag ins Gästebuch der Stadt für ihr humanitäres Engagement geehrt.

Jürgen Skotschke, der seit 2022 an der Spitze der Tschernobyl-Initiative steht, ließ mit einer Fotoshow den seit 30 Jahren geleisteten Einsatz für die Menschen in Weißrussland Revue passieren. Zwei Drittel der atomaren Verstrahlung traf 1986 zwei Millionen Menschen in Weißrussland. In der 45.000-Einwohner-Stadt-Zhodino, 60 Kilometer östlich von der Hauptstadt Minsk  und im 2000-Einwohner-Ort Dobryn, das 260 Kilometer östlich von Minsk und damit nahe der ukrainischen Grenze liegt, hat die Unterstützung der Tschernobyl-Initiative für die dort lebenden Menschen segensreich gewirkt. Neben vielen Freundschaften, die seit 1992 entstanden sind, stehen die Förderung mehrerer Schulen, einer Sozialstation, Fortbildung, Einzelfallhilfen sowie die Gründung und Förderung eines inklusiven Jugendzentrums und einer inklusiven Werkstatt auf der Haben-Seite der Initiative Tschernobyl-Kinder Möglich wurde all das durch bürgerschaftliches Engagement in unserer Stadt. Denn hier arbeiten Ehrenamtliche im Tschernobyl-Laden am Kohlenkamp 2. Sie verkaufen (werktags von 10 bis 15- und samstags von 10 bis 13 Uhr) dort für kleines Geld Gutes aus zweiter Hand, dass ihnen Menschen gespendet haben. So kommt ein Euro für die guten Taten der Initiative Tschernobyl-Kinder zum anderen.

Bis 1990 waren Weißrussland und die Ukraine Teil der Sowjetunion. Seit der russische Präsident Putin am 24. Februar 2022 den Angriffskrieg auf die Ukraine begonnen hat, sind Russlands Verbündeter Weißrussland und die Ukraine Kriegsgegner.

„Wir haben darüber diskutiert, ob ich das Grußwort des weißrussischen Botschafters, in dem er sich für die humanitäre Hilfe der Initiative Tschernobyl-Kinder bedankt, vorlesen soll“, räumt Oberbürgermeister Buchholz ein. Dass er sich dafür entschieden hat, begründet er mit dem Hinweis, „dass wir uns einen baldigen Frieden und eine positive Veränderung der geopolitischen Lage wünschen, die humanitäre Hilfe für die Menschen in Weißrussland und in der Ukraine möglich macht.“ Für Buchholz hat die Reaktor-Katastrophe in Tschernobyl unser Leben ebenso nachhaltig verändert, wie die islamistischen Terroranschläge des 11. September 2001.

Der 44-jährige IT-Fachmann Oliauzimir Malkowich, seine Mutter Galina Malkowich, die weißrussische Lehrerin Swetlana Kosiecka, die aus der Ukraine stammende Elena Briel und die aus Usbekistan stammende Irina Borosaja verbindet ihr Engagement in und mit der Tschernobyl-Initiative. Für sie gilt: „Politik ist Politik. Und Menschen sind Menschen.“

Auch der Vorsitzende der Initiative, Jürgen Skotschke, ist überzeugt, „dass wir als Vertreter einer zivilgesellschaftlichen Hilfsorganisation mehr für die Menschen in Weißrussland und in der Ukraine erreichen können, als es Politiker könnten. Allerdings weist er darauf hin, „dass wir derzeit aufgrund der internationalen Sanktionen gegen Weißrussland derzeit weder Geld- noch Sachspenden dorthin bringen können.“

Deshalb schickte die Initiative Tschernobyl-Kinder e.V. im November 2022 mehr als 900 „Schuhkartons der Hoffnung“, gut gefüllt mit gespendeten Dingen, die man fürs Über-Leben braucht, nicht nach Weißrussland, sondern über die polnischen Partnerstadt Opole (Oppeln) in deren ukrainische Partnerstadt Iwano-Frankiwsk.

Damals packte auch OB Buchholz mit an und ließ sich von Jürgen Skotschke als Mitglied für die Initiative Tschernobyl-Kinder werben. Tatsächlich konnte Skotschke nach dem Festakt im Ratssaal neue Mitglieder begrüßen, die ihm im Vorbeigehen einen Aufnahmeantrag in die Hand drückten. „Sobald das möglich ist, werden wir unsere Hilfe für die Menschen im weißrussischen Zhodino und in Dobryn wieder aufnehmen. Wir sind aber auch bereit, uns in das neue Städtepartnerschaftsdreieck zwischen Mülheim, Oppeln und Iwano- Frankiwsk  einzubringen“, betont Jürgen Skotschke.

Für Oliauzimir Malkowich, der 1993 zu den ersten Tschernobyl-Kindern gehörte, die bei den van Emmerichs und anderen Mülheimer Gasteltern einen Erholungsurlaub erlebten und im Bonner Kinderkrankenhaus gegen ihre aus der atomaren Verstrahlung resultierenden Krebserkrankung behandelt wurden, ist es heute noch wie ein Wunder, „dass ich mithilfe so vieler sozial engagierter und guter Menschen in Deutschland meine Krankheit überleben und meinen Horizont erweitern konnte.“ 


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