Auch in Mülheim gehen die Karnevalisten auf die Zielgerade der fünften Jahreszeit. Rechtzeitig vor dem Beginn der Tollen Tage hat auch der Geschäftsführer des Hauptausschusses Gross-Mülheimer Karneval, Hans Klingels die Presseberichterstattung zu den Kostümen zur Kenntnis genommen, bei denen der Gesetzgeber auch an den Tollen Tagen keinen Spaß versteht.
Wer zum Beispiel unter dem Deckmantel der karnevalistischen Kostümierung
Uniformen und Abzeichen verfassungsfeindlicher Organisationen trägt, kann nach §86
des Strafgesetzbuches ebenso mit Geld- oder Haftstrafen belangt werden, wie (nach
§132 und 132a des Strafgesetzbuches) Narren, die sich unter dem Vorwand der
Verkleidung mit authentischen Uniformen der Polizei, der Feuerwehr oder der
Bundeswehr unter die Jecken mischt und es dabei lustig findet, sich als
Polizeibeamter, als Soldat oder als Feuerwehrmann auszugeben. Auch dann geht
der Schuss finanziell und juristisch nach hinten los, sobald man sich als
kostümierter Jeck tatsächlich mit einer echten Waffe oder mit einer Waffenattrappe
ausstattet. In diesen Fällen drohen Jecken aufgrund des Waffengesetz-Paragrafen42a Bußgelder in Höhe von bis zu 10.000
Euro. Das illegale Tragen einer Dienstuniform in Tateinheit mit Amtsanmaßung kann
mit bis zu einem Jahr und das Tragen von Uniformen verfassungsfeindlicher
Organisationen mit bis zu zwei Jahren Gefängnis bestraft werden.
Hans Klingels sagt: „Über dieses Thema mussten wir als Mülheimer
Karnevalisten bisher nicht nachdenken, weil es in Mülheimer Karneval, kein
Thema ist und hoffentlich auch kein Thema werden wird!“
Auf Anfrage der Lokalredaktion äußert sich Stadtsprecherin Britta Heidemann
ähnlich, in dem sie feststellt: „Das Ordnungsamt der hat in der
Vergangenheit mit diesen Fragestellungen keinerlei Berührungspunkte gehabt.
Solche Fälle sind noch nicht an uns herangetragen worden und wären wohl eher
ein Straftatbestand, also Sache der Polizei, denn eine Ordnungswidrigkeit.“
Was sagt also die Polizei, die den Rosenmontagszug als größte
Freiluftveranstaltung der Stadt mit ihren Beamtinnen und Beamten absichert, zu
den „verbotenen Kostümen“? Mit Blick auf seine eigene elfjährige
Polizeierfahrung und auf die Erkenntnisse aus den polizeiinternen Nachbesprechungen
der Rosenmontagseinsätze sagt Polizeisprecher, Pascal Pettinato: „Verbotene
Kostüme kommen, wenn überhaupt und vereinzelt vor und stellen deshalb für uns
kein sicherheitsrelevantes Problem dar. Wenn Kollegen aber beim Rosenmontagzug
jemanden sehen würden, der zum Beispiel NS-Uniform mit Hakenkreuzbinde und
SS-Runen oder eine Polizeiuniform mit dem Hoheitszeichen des nordrhein-westfälischen Landeswappens trägt, die nicht eindeutig als Kostüm zu erkennen ist, würden sie
eine Strafanzeige schreiben und diese an die Staatsanwaltschaft weiterreichen.“
Das Gleiche gilt, laut Pettinato, auch für „PBT-Waffen und Waffen, die den
Anschein erwecken, echte Waffen zu sein“ und damit im Straßenkarneval eine
Massenpanik auslösen könnten. Als PBT-Waffen gelten zum Beispiel Schreckschuss,
Luftdruck- oder Gaspistolen, mit denen man zum Beispiel Platzpatronen,
Reizstoffe, Signalfarben und pyrotechnische Ladungen verschießen kann.“ Auch
närrische gesonnene Polizeibeamte, die sich in ihrer Freizeit als Jeck ins
Getümmel der Tollen Tage werfen wollen, müssen ihre Dienstkleidung zu Hause
lassen und dürfen diese nicht zum Kostüm umfunktionieren. „Wir sind aber keine
Moral-Polizei, die zum Beispiel darüber entscheidet, ob zum Beispiel eine
Verkleidung als Indianer oder als Scheich politisch korrekt oder unkorrekt
ist“, betont Polizeisprecher Pettinato.
Obwohl es an der Otto-Pankok-Schule an den Tollen Tagen eine von der
Schülervertretung organsierte Karnevalssitzung für die fünften Klassen gibt,
die in diesem Jahr aber Corona-bedingt ausfällt, mussten sich Schulleiter Jens
Schuhknecht und sein Stellvertreter Ulrich Bender bisher noch nie mit
verbotenen Kostümen oder gar mit Waffenattrappen auseinandersetzen. „Wenn dem
so wäre würde wir das natürlich sehr ernsthaft ansprechen und aufarbeiten. Aber
bisher hatten wir es vereinzelt lediglich mit Schülern zu tun, die Abi-Feiern
mit Wasserspritzpistolen unterwegs waren“, erklärt Schuhknecht im Gespräch mit
dieser Zeitung.
Seine Amtskollegin, Heike Quednau von der Karl-Ziegler-Schule teilt der
Lokalredaktion mit: „An der Luisenschule gibt es keine schulische Karnevalsfeier.
Am Rosenmontag ist die Schule geschlossen. Aus diesem Grund tritt bei uns die
Frage nach Verkleidungen nicht auf.“ Ähnliches lässt die Rektorin der Realschule
Stadtmitte, Sabine Dilbat, verlauten. Sie erklärt auf Anfrage dieser Zeitung
zum Thema Verbotene Kostüme: „An der Realschule Stadtmitte kommt
nur vereinzelt der Wunsch nach einer Kostümierung in den unteren Jahrgängen
auf. Aufgrund der augenblicklichen Situation in der Ukraine und dem
Erdbebengebiet, sehen wir aber von solchen Feierlichkeiten ab. Wir haben einen
hohen Anteil von SchülerInnen aus der Türkei und aus Syrien.“
Auch für den Leiter der Gustav-Heinemann-Schule, Thomas Ratz, „stellt sich das Problem nicht, weil sich bei uns nur die Fünft- und Sechstklässler verkleiden.“ Doch Ratz macht auch deutlich: „Wenn Schüler mit ihren Spielzeugwaffen Leute bedrohen würden oder in der Uniform einer verfassungsfeindlichen Organisation auftreten würden, wären wir natürlich sofort am Start, so wie wir auch jede Hakenkreuzschmiererei an unserer Schule sofort dem Staatsschutz melden.“
Meine Texte in der Mülheimer Tagespresse und: Zum Mülheimer Karneval
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen