Samstag, 4. Juli 2020

Mölmsche Herberge

Bisher kannte ich nur Designer-Uhren und Mode-Designer. Doch jetzt erweiterte unsere Zeitung meinen Horizont, indem sie über ein geplantes Designerhotel an der unteren Schloßstraße berichtete. Das soll sich, wie man lesen konnte, an das Ortsbild anpassen. So mancher Mülheimer fragt sich angesichts von Leerständen und marodem Straßenpflaster, ob das eine Verheißung oder eine Drohung ist.

Das neue im alten Hotel erinnert uns daran, dass das schönste Hotel nur dann zur gastlichen Herberge werden kann, wenn das Umfeld und der Ausblick aus dem Fenster stimmen. Bevor die ersten Gäste im neuen Designerhotel an der Schloßstraße einchecken, muss sich erstmal das Design der Innenstadt ändern, damit die Gäste nicht nur ins Hotel kommen, sondern gerne auch auf die Straße gehen, um dort den ein oder anderen Euro in den Mülheimer Wirtschaftskreislauf einzuspeisen. Denn nur eine einladende Innenstadt bringt auch zahlende Gäste und Besucher auf den Geschmack und damit in die Hotels, Gaststätten und Geschäfte. Wenn Geschäftsleute, Gastronomen und Hoteliers den Kaffee aufhaben, weil ihr Umfeld potenziellen Gästen auf den Magen schlägt und ihnen den Appetit auf mehr Mülheim verdirbt, ist am Ende für alle Bürger der Stadt der Ofen aus. Deshalb nützt das schönste Designhotel im Herzen der Stadt nichts, wen nicht auch das gesamte Design der Stadt mit einem gesunden Branchen- Miet- und Mobilitätsmix mehr hoffnungsvolle Blicke ins Grüne als bedenkenschwere Anlässe zum Schwarzsehen bietet. Nur dann kann Mülheim zur gastliche Herberge werden, in der alle Platz finden, die mit gutem Willen und nach bestem Wissen und Gewissen der Stadt bestes suchen und sie mit ihren vielen Gaben gerne bereichern, weil sie sich hier zu Hause und angenommen fühlen. Bleibt zu hoffen, dass wir Bürger, Wähler und Steuerzahler spätestens nach der Kommunalwahl im September eine gute Herbergsmutter oder einen guten Herbergsvater bekommen, damit die Stadt am Fluss ein Ort ist, bleibt oder wieder wird, an dem man gut und gerne lebt, weil ihr Design und ihr Zuschnitt für niemanden die Decke zu kurz und die Aussichten zu ungemütlich werden lässt.

Dieser Text erschien am 1. Juli 2020 in der NRZ

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