Der Kaiser hätte an Otto seine Freude. Otto ist ein Mann in den besten Jahren
und hat eine Pickelhaube auf dem Kopf. Der Mann, der in einer alten
Polizeiuniform auf der Schloßstraße steht, um die Passanten mit seiner Musik aus
der Drehorgel und einer Trompete zu erfreuen, ist zwar nicht so alt, dass er den
Kaiser noch gekannt hätte, aber doch schon so alt, dass er in Ehren ergraut und
im Ruhestand angekommen ist. „Ich habe gerade kein Geld“, entschuldigt sich der
eilige Journalist, der dem reifen Musikanten in seiner Uniform aus Urgroßvaters
Zeiten gerne ein oder zwei Münzen für seine schwungvollen Rhythmen auf seinen
Teller gelegt hätte. „Ich auch nicht!“, sagt der Mann an der Drehorgel. Er macht
aus der Not eine Tugend. In dem er den Passanten auf der Schloßstraße mit seiner
Musik und seiner sehenswerten Erscheinung eine Freude macht, bessert er seine
karge Rente auf. Gut, dass Otto noch Luft und Töne hat. Da macht Wiedersehen und
Wiederhören Freude. Der nächste Euro kommt bestimmt.
Und doch würde sich der
Zuhörer und Zuschauer dieses bewundernswerten Ein-Mann-Straßen-Musiktheaters
wünschen, dass Otto und seine Leidensgenossen, die als Rentner nicht rasten
dürfen, weil bei ihnen auch nach einem langen Arbeitsleben die Rentenkasse nicht
klingelt, so manchem großtönenden Großverdiener, der als Staaten- und
Wirtschaftslenker weniger für Harmonie als für Misstöne sorgt, den Marsch
blasen. So dass ihnen Hören und Sehen verginge.
Dieser Beitrag erschien am 16. Mai 2017 in der Neuen Ruhr Zeitung
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