Man liest und hört oft von Menschen, die sich abgehängt fühlen. Und plötzlich gehört man selbst dazu, zum Club der Abgehängten. Bei mir schlich sich jetzt das Gefühl ein, alt auszusehen, als ich unsere junge Nachbarin im Treppenhaus traf. Sie war, wie ich, auf dem Weg nach unten und ich lud sie ein, mit mir abwärts zu fahren. „Nein, danke, der Aufzug ist mir zu langsam!“ lehnte sie mit einem Lächeln ab und sprinntete, ehe ich etwas sagen konnte, treppabwärts. Nachdenklich bestieg ich den Aufzug und fühlte mich um 40 Jahre älter und um 20 Kilo schwerer. Mein erster Impuls, selbst die Treppe zu nutzen, versagte im Angesicht ihres unverschämt leichtfüßigen Treppensprints. Das Blei in meinen Glieder wog schwer. Doch dann erlöste mich wenig später eine freundliche alte Dame, mit der ich beim Einkauf am Kühlregal in ein Gespräch über die Vor- und Nachteile verschiedener Rollatormodelle kam. Nach der Fachsimpelei im Supernarkt kam mir ihr Rollator wie ein Sportgerät vor und ich fühlte mich plötzlich wieder jung und ch lockerleicht, wohl wisssend, dass jeder sein eigenes Tempo finden muss, damit ihm auf der langen Lebensstrecke der mentale Treibstoff nicht ausgeht.
Dieser Text erschien am 21. Juni 2016 in der Neuen Ruhr Zeitung
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