Freitag, 29. April 2016

Leben in Würde, bis zu letzt: Das ermöglichen die enamtlichen Mitarbeiter des Ambulanten Hospizes sterbenden Menschen seit 20 Jahren

Ursula König leitet das Ambulante Hospiz
seit seiner Gründung.
„Zwei Dinge sind im Leben sicher, die Steuern und der Tod“, wusste schon der amerikanische Staatsmann Benjamin Franklin. Dennoch macht die Vorsitzende des Ambulanten Hospizes, Ursula König immer wieder die Erfahrung, „dass Sterben und Tod ein Tabuthema sind.“ König und ihre 40 ehrenamtlichen Kolleginnen und Kollegen begleiten jährlich zwischen 60 und 80 sterbende Menschen. „Als mein Mann 1996 im Katholischen Stadthaus den ersten Vortrag über Sterbebegleitung hielt, gab es in den Krankenhäusern so gut, wie keine Sterbekultur“, erinnert sich König an die Anfänge.
Inzwischen sieht die Fortschritte. „Nicht zuletzt die breite Diskussion im Rahmen der Gesetzgebung zur Sterbebegleitung hat das öffentliche Bewusstsein geschärft“, glaubt sie. Mit 16 Sterbebegleitungen begannen die ersten 17 ehrenamtlichen Mitarbeiter ihre segensreiche Tätigkeit, die nicht nur sterbenden Menschen beistehen, sondern auch die betroffenen Angehörigen entlasten will. „Es ist ganz wichtig, dass die Angehörigen in der extrem belastenden Sterbephase auch mal Abstand gewinnen können, um zum Beispiel mal einkaufen oder spazieren gehen zu können“, weiß König.

Mit der Gründung des Hospizvereins, der sich später den aussagekräftigeren Namen Ambulantes Hospiz gab, richtete Henning König in seiner Funktion als Chefarzt im St. Marien-Hospital eine Palliativstation mit 7 Betten ein. Diese Station ist inzwischen Geschichte. Dafür gibt es seit 2012 ein stationäres Hospiz, das vom Evangelischen Krankenhaus und vom Diakoniewerk Arbeit & Kultur getragen wird. Eine Konkurrenz? „Nein, wir ergänzen und unterstützen uns gegenseitig“, sagt König. Beide Institutionen weisen Menschen, denen sie aktuell nicht helfen können, auf das jeweils andere Angebot hin. „In der Gründungsphase des stationären Hospizes hat das Ambulante Hospiz mit seinen Spenden die Anschaffung der ersten zehn Patientenbetten finanziert“, erinnert sich König. Dass die Hospizarbeit ein ökumenisches Herzensanliegen ist, zeigt sich auch daran, dass das Ambulante Hospiz die Ausbildung der Pflegekräfte finanziert hat, die aus der Ambulanten Diakonie des Evangelischen Krankenhauses kommend, sich heute als Pflege Palliativ Ruhr auf die ambulante Schmerzversorgung schwerstkranker und sterbender Menschen spezialisiert hat.
Welche schmerztherapeutischen Behandlungsmöglichkeiten gibt es? Wie sieht das Krankheitsbild in der Sterbephase aus? Was muss bei einer Vorsorgevollmacht oder bei einer Patientenverfügung beachtet werden? All das sind Fragen, mit denen sich die angehenden Begleiter des Ambulanten Hospizes während ihrer halbjährigen Ausbildungsphase auseinandersetzen müssen. „Aber am Anfang steht die Auseinandersetzung mit der eigenen Sterblichkeit“, unterstreicht die Vorsitzende des Ambulanten Hospizes.
Diese Selbstreflexion und vor allem die Fähigkeit zuhören und sich in andere Menschen hineinversetzen zu können, sind die wichtigsten Eigenschaften, um als Sterbebegleiter oder Sterbegleiterin des Ambulanten Hospizes bestehen zu können.

Einen sterbenden Menschen zuzutexten oder im vermeintlich gute Ratschläge zu geben geht gar nicht. „Ratschläge sind Schläge“, sagt König und macht deutlich: „Die sterbenden Menschen sind die Regisseure und wir müssen ihre Bedürfnisse erspüren und erkennen!“ Unvergessen bleibt ihr etwa die Frau, die sie in ihren letzten Lebenstagen glücklich machen konnte, in dem sie mit ihr zur Ruhr fuhr und in einem Café ihr Lieblingsgetränk Campari Orange bestellte.
Aber warum stellen sich derzeit 33 Frauen und 7 Männer der unentgeltlichen Herausforderung, sterbenden Menschen, wie es das Motto des Ambulanten Hospizes beschreibt: „ein Leben in Würde, bis zu letzt“ zu ermöglichen? „Unsere Ehreamtlichen sind unser großer Schatz. Es sind Menschen, die oft nach ihrer Berufsphase etwas sinnvolles tun und etwas zurückgeben wollen“, schildert König die Motivation ihrer Kolleginnen und Kollegen, von denen einige aber auch noch im Berufsleben stehen. Sie selbst hat bei Sterbebegleitungen „das große Vertrauen und die große Offenheit der Menschen, die wir begleiten, als bereichernd empfunden.“ Wie ihre ehrenamtlichen Kolleginnen und Kollegen hat ihr die ehrenamtliche Arbeit für das Ambulante Hospiz immer wieder gezeigt, „dass man jeden Tag nutzen und nichts in die Zukunft verschieben soll.“

Zahlen & Fakten


Die ehrenamtliche Begleitung durch die Mitarbeiter des Ambulanten Hospizes ist für die sterbenden Menschen und ihre Angehörigen kostenlos.
Das Ambulante Hospiz ist ein eingetragener Verein mit derzeit 250 Mitgliedern, der seine Arbeit mit Spenden finanziert. Nur eine Halbtagskraft, die die Einsätze der Begleiter koordiniert, wird von den Krankenkassen finanziert.
Das Büro des Ambulanten Hospizes am Hagdorn 27-29 ist montags und dienstags sowie donnerstags und freitags von 9 bis 12 Uhr geöffnet und unter der Rufnummer 3 005 20 63 erreichbar.
Das Ambulante Hospiz ist im Notfall rund um die Uhr unter der Rufnummer  0160 - 78 688 45 erreichbar.

Weitere Informationen findet man im Internet unter: www.ambulantes-hospiz-mh.de



Dieser Text erschien am 23. April 2016 in NRZ und WAZ

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