Mittwoch, 16. Juli 2014

Lieber fünf als drei Prozent: Warum der Wahl- und Meinungsforscher Manfred Güllner auch auf kommunaler Ebene für eine parlamentarische Sperrklausel plädiert


Frage: Was halten Sie von dem Vorschlag des SPD-Fraktionschefs im Landtag?

Antwort: Das ist ja mal was Vernünftiges, was die da machen wollen.

Frage: Warum macht eine Drei-Prozent-Hürde für Stadtparlamente Sinn?

Antwort: Weil die Entwicklung zeigt, dass die Abschaffung der Fünf-Prozent-Hürde auf kommunaler Ebene ein katastrophaler Fehler war. Man hat doch ganz bewusst vor dem Hintergrund der Weimarer Erfahrung nach dem Zweiten Weltkrieg eine Fünf-Prozent-Hürde eingeführt, um eine Zerklüftung des Parteiwesens zu verhindern. Deshalb ist auch heute die Einführung einer Sperrklausel goldrichtig. Eine Fünf-Prozent-Hürde wäre mir lieber als eine Drei-Prozent-Hürde. Aber eine Drei-Prozent-Hürde ist besser als nichts.

Frage: Macht der Verzicht auf eine Sperrklausel die Kommunalpolitik nicht demokratischer?

Antwort: Dieser Verzicht hat vor allem dazu geführt, dass die Stadträte jetzt vielen Gruppen eine Plattform bieten, in denen selbst ernannte Advokaten Partikularinteressen vertreten. Das können sie ja gerne tun, aber das müssen sie nicht unbedingt im Rat tun.

Frage: Warum eigentlich nicht?

Antwort: Weil die Kommunalpolitik die Aufgabe hat, einen Interessenausgleich im Sinne aller Bürger zu erreichen.

Frage: Fühlen sich nicht vielleicht mehr Bürger in einem Rat mit mehr Gruppen besser vertreten?

Antwort: Die in den letzten Jahren zum Teil drastisch zurückgegangene Beteiligung an Kommunalwahl beweist das Gegenteil. Unsere Forschungsergebnisse zeigen, dass viele Wähler zu Nichtwählern werden, weil sie zunehmend den Eindruck haben, dass sich die großen Parteien immer mehr an Minderheitsinteressen orientieren.

Frage: Was erwarten die Wähler denn von ihren Kommunalpolitikern?

Antwort: Sie wollen keine ideologisch motivierte Kommunalpolitik, in der es um Koalitionsbildungen geht. Sie erwarten, dass die Kommunalpolitiker sich nicht mit sich selbst beschäftigen, sondern an einem Strang ziehen und um ihre Wahlkreise kümmern, wenn es darum geht, die Verwaltung zu kontrollieren und die konkreten Probleme, die die Bürger vor ihrer Haustüre haben, zu lösen.

Dieser Text erschien am 4. Juli 2014 in der Neuen Ruhr Zeitung

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