Sonntag, 22. November 2009

Vom Besuch in einer anderen Arbeitswelt, von der man auf dem Ersten Arbeitsmarkt viel lernen könnte

Ein Wohngebiet mit vielen neuen Häusern. Eine Gärtnerei erwartet man hier eigentlich nicht. Doch an der Boverstraße 21 steht sie. Vor dem Eingang fallen zwei dekorative Adventsgestecke auf, die liebevoll auf Tischen drapiert sind. Und am Wegesrand warten Tannenzweige in einer Schubkarre auf ihre weitere Verwendung. Es weihnachtet sehr an der Boverstraße, in der Gärtnerei der Fliedner-Stiftung.

Kein Wunder. Denn bis zum gestrigen Fliedner-Wintermarkt am Selbecker Mühlenhof mussten auch die letzten der gut 150 Adventskränze und Gestecke fertig sein, die die 15 Mitarbeiter der Gärtnerei in den letzten vier Wochen gebunden, gesteckt und mit viel Liebe zum Detail geschmückt haben. Neben Tannengrün und Kerzen sieht man überall schmuckes Holzgeäst, Sterne, Glaskugeln oder auch kleine, getrocknete Orangenstücke, die jedem Adventskranz zur Zierde gereichen. Im kleinen Kassen- und Ausstellungsraum steht Stammkundin Petra Grün. Der Name passt und ist nicht erfunden. „Es ist einfach nett und nicht so kommerziell. Hier kann man noch echte Handarbeit kaufen. Das Preis-Leistungsverhältnis stimmt. Und außerdem wird ganz nebenbei eine gute Sache unterstützt", erklärt die Erzieherin, warum sie sich nicht nur vor dem Advent in der Fliedner-Gärtnerei mit allem eindeckt, was grün ist, duftet und Haus wie Garten schmückt. Damit leistet sie ihren ganz persönlichen Beitrag zur Sicherung von 15 Arbeitsplätzen für psychisch behinderte Menschen.

Einer von ihnen ist der 20-jährige Christian, der an diesem Vormittag mit seinen Kollgen in einem frühlingshaft warmen Glashaus Adventskranzrohlinge herstellt. Neben Tanengrün kann man hier auf den gut bedachten Tischbeeten auch in einem Farbenmeer von Veilchen schwelgen. Christian hat nach dem Besuch der Förderschule in einem Berufsbildungsinternat das Handwerk des Garten- und Landschaftsbaus erlernt und arbeitet jetzt seit März in der Gärtnerei. „Ich habe gerne Kontakt mit Kunden und unterhalte mich auch mal mit meinen Kollegen", erzählt er. Er ist ein kommunikativer und aufgeschlossener Mensch. Sofort führt er vor, wie aus einen Reifen aus Papier und Pappe mit Hilfe einer dünnen Drahtrolle und Krampen ein Tannengrünträger wird. Sorgfältig schneidet er sich mit einer Gartenschere die Tannenzweige so zurecht, dass sie sich leichter auf das Drahtgestell stecken lassen. „Dabei kann man sich auch schon mal pieksen", weiß Christian. Aber das nimmt er gelassen. Wie eigentlich jeder hier gelassen wirkt. Dabei gilt seit vier Wochen Urlaubssperre, gearbeitet wird auf Hochtouren. „Das ist auch der Unterschied zu einer nomalen Gärtnerei. Wir haben hier keinen Stress. Vor dem Advent müssen wir keine Überstunden machen. Und weil wir hier mehr Zeit haben, können wir oft auch kreativer sein", sagt eine Floristikmeisterin, schon seit drei Jahren als Gruppenleiterin in der Gärtnerei beschäftigt ist.

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