Freitag, 14. Oktober 2016

Eine geistige vitaminspritze für die Ökumene: Die katholische Frauengemeinschaft lud sich die Reformations-Botschafterin Margot Käßmann ein

Margot Käßmann in der Katholischen Akademie
Was macht eigentlich die ehemalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche Deutschlands, Margot Käßmann? Zurzeit tourt sie als offizielle EKD-Botschafterin für das Reformations-Jubiläum 2017 durchs Land und machte jetzt auf Einladung der Katholischen Frauengemeinschaft (KFD) Station in der Katholischen Akademie.

180 Frauen aus dem Diözesanverband, der bistumsweit 28.000 Mitglieder stark ist, wollten im Vortrag und im Gespräch mit den KFD-Sprecherinnen Gotlinde Hampen und Lucia Lagoda von der Bischöfin und Theologie-Professorin erfahren, was es auch für Katholikinnen und Katholiken 2017 zu feiern gibt.

Auch mit Blick auf die antisemitischen Schattenseiten des Reformators machte Käßmann deutlich, dass es 500 Jahre nach der Reformation keinen reinen Luther-Kult geben werde. Vielmehr wertde es um Versöhung und Heilung gehen. Dennoch, so die EKD-Botschafterin, könnten sich alle christlichen Konfessionen heute mit dem Luther identifizieren, der mit seiner Übersetzung der Bibel und seiner Theologie der Freiheit eines Christenmenschen den Weg zu mehr Freiheit, Bildung, Glaubensaufklärung Emmanzipation und Pluralismus geebnet habe.

Fast 500 Jahre nach dem Wittenberger Thesenanschlag Luthers steht für Käßmann fest: „Auch wenn wir über das Amt des Papstes oder über Abendmahl und Eucharistie unterschiedlich denken, haben wir heute mehr gemeinsam, als uns trennt.“ In diesem Sinne wollte die evangelische Theologin denn auch nicht mehr von einer Kirchenspaltung, sondern nur noch von „einer gemeinsamen Geschichte“ und der mahnenden Erfahrung, nicht nur während des 30-jährigen Krieges „politisch missbraucht worden zu sein“ und „von einer Differenzierung und Unterschiedlichkeit“, sprechen, „die die christlichen Kirchen kreativ macht“ sprechen.

In diesem Zusammenhang erinnerte Käßmann an die Aussage des Hamburger Weihbischofs Hans-Jochen Jaschke, heute könne auch er die 95 Thesen Luthers unterschreiben. Die Lacher ihres Publikums hatte die Bischöfin auf ihrer Seite, als sie erzählte. „Als meine Tante Bärbel vor 40 Jahren einen Katholiken heiraten wollte, war das in unserer Familie ein Drama. Heute sind Eltern froh, wenn ihr Kind überhaupt noch einen Christen kennen lernt.“

Dass diese heitere Anekdote einen ernsten Kern hat, machte die Reformations-Botschafterin mit dem Hinweis deutlich, dass heute in der Geburts- und Sterbestadt Luthers, Eisleben, nur noch sieben Prozent der Einwohner Christen sind. Wie Christen und Nicht-Christen über ihren Glauben, ihren Unglauben oder ihre Glaubenszweifel ins Gespräch kommen können, zeigte Käßmann exemplarisch an einem christlichen Café in Wittenberg, in dem alle und jeder willkommen sind, um bei Kaffee und Kuchen einfach mal unverkrampft zu fragen, was sie schon immer über das Christentum wissen wollten, sich aber noch nie fragen trauten.

Wie weit sich Katholiken und Protestanten heute schon angenähert haben, sieht Käßmann auch daran, dass Luther-Lieder, wie: „Vom Himmel hoch, da komm ich her“ Eingang ins katholische Gotteslob gefunden haben und 700 der insgesamt 3000 Darsteller eines aktuellen Luther-Oratoriums katholisch seien. Käßmann, die sich zur Utopie einer friedlichen Welt ohne Waffen und Armeen bekannte, forderte ihre katholischen Glaubensgeschwister in der Wolfsburg dazu auf, auch die neuen Medien „kritisch, aber nicht zu zaghaft zu nutzen, um die frohe christliche Botschaft in die Welt und an die Frau und den Mann zu bringen. In diesem Zusammenhang erinnerte die Theologin und Buchautorin daran, dass Luther „das neue Medium Buch“ und mit ihm die deutsche Sprache brillant genutzt habe, um im 16. Jahrhundert ein Drittel der in Europa veröffentlichten Literatur zu schreiben.


Dieser Text erschien am 8. Oktober 2016 im Neuen Ruhrwort

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