Montag, 3. Oktober 2016

Leben auf dem Pulverfass: Der Rektor des österreichischen Pilger-Hospizes in Jerusalem berichtete in der katholischen Akademie über christliches Leben im Heiligen Land

Markus Stefan Bugnyar bei seinem Vortrag im
Kardinal-Hengsbach-Saal in der Wolfsburg
„Leben auf dem Pulverfass.“ So hatten die katholische Akademie und der örtliche Städtepartnerschaftsverein ihre Abendveranstaltung genannt, die trotz hochsommerlicher Hitze immerhin 100 Interessierte in die Wolfsburg lockte. Der Rektor des österreichischen Pilger-Hospizes in Jerusalem, Markus Stefan Bugnyar, berichtete darüber, wie es sich als katholischer Christ in einer muslimisch und jüdisch geprägten Umwelt lebt. „Natürlich gibt es Terroranschläge und auch religiös motivierte Gewalt. Aber es gibt keine organisierte Christenverfolgung. Und wenn ich als katholischer Priester durch Jerusalem gehe, fühle ich mich nicht unsicher“, betonte Bugnyar. 1975 im österreichischen Burgenland geboren, kam der katholische Theologe und Religionspädagoge vor 15 Jahren für ein bibelwissenschaftliches Studium ins Heilige Land und wurde 2004, auf dem Höhepunkt der zweiten Intifada zum Rektor des seit 1863 bestehenden Pilger-Hospizes berufen.

Der aus einem sozialdemokratischen Elternhaus stammende katholische Priester sieht den Besucher- und Pilgerstrom auch sozial- und wirtschaftspolitisch. „Er gibt dem Land und seinen Menschen Sicherheit und wirtschaftliche Stabilität“, sagt Bugnyar. Immerhin beschäftigt das österreichische Pilger-Hospiz, zu dem auch ein Wiener Caféhaus gehört 21 christliche und sechs muslimische Mitarbeiter.
Außerdem unterstützt das Pilger-Hospiz in Jerusalem eine 180 Mitglieder zählende katholische Gemeinde in Gaza, die dort wiederum ein Hospiz und ein Waisenhaus betreibt. Über Glaubens- und Konfessionsgrenzen hinweg Arbeitsplätze zu schaffen und zu sichern, ist für Bugnyar, der am meisten Erfolg versprechende Ansatz, um aus der Not geborene Gewalt zu verhindern und damit Frieden und Sicherheit zu schaffen. Ein weiteres Forum der interkonfessionellen und interreligiösen Begegnungen sind die beliebten Musik- und Kulturveranstaltungen des österreichischen Pilger-Hospizes.
Wenn viele Christen, insbesondere palästinensische Christen, das Land verlassen und ihre Bevölkerungsanteil nur noch bei 1,8 Prozent liegt, hat das aus Bugnyars Sicht nichts oder nur am Rande mit muslimischer Gewalt oder israelischen Repressalien zu tun. Der christliche Exodus hat in seinen Augen rein wirtschaftliche Gründe.

Nach Erkenntnissen des christlich-palästinensischen Forschungsinstitutes, so Bugnyar, gäben 87 Prozent der christlichen Auswanderer wirtschaftliche Gründe für ihren Schritt an.  Als eines der größten sozialen Probleme Jerusalems sieht der katholische Priester die exorbitant hohen Mieten. Es gebe zwar einen christlichen sozialen Wohnungsbau, der aber nur sehr punktuell Wohnungsnot beheben könne. Anders, als der christliche Wohnungsbau sind die christlichen Schulen auch für Muslime und Juden offen.

Bugnyar geht davon aus, dass die Schülerschaft der christlichen Schulen in Israel zu 80 Prozent muslimisch ist.
„Ich kenne niemanden, der deswegen das Land verlassen hat“, stellte Bugnyar mit Blick auf die israelischen Absperrmaßnahmen (Mauer- und Zaunbau) an der Grenze zum palästinensischen Autonomiegebiet im Westjordanland fest. Dafür wurde er von einer Pax-Christi-Aktivistin und dem Vizepräsidenten der Deutsch-Palästinensischen Gesellschaft, Ribhi Yousef, kritisiert. Beide wiesen in diesem Zusammenhang darauf hin, dass sowohl die Absperrmaßnahmen, als auch der israelische Siedlungsbau auch viele palästinensische Christen in ihrer wirtschaftlichen Existenz bedrohe, weil sie durch diese Maßnahmen oft den Zugang zu ihren landwirtschaftlich genutzten Grundstücken verlören.

Auch wenn der Leiter des österreichischen Pilger-Hospizes in christlichen Ehepartnern jüdischer Einwanderer und in christlichen Gastarbeitern aus Asien ein gewisses Zuwachs-Potenzial erkennt, macht er sich keine Illusionen darüber, „dass die christliche Gemeinschaft in Israel nicht verschwinden, aber weiter schrumpfen wird.“ Zurzeit gibt es im Heiligen Land rund 180.000 Christen, die in 60 Gemeinden leben. Und wenn Bugnyar feststellt: „Wir müssen Inseln des Glaubens schaffen und brauchen mehr katholische Christen, die nicht nur Taufschein-Katholiken sind,“ klingt das wie ein Appell, der auch zur Umbruch-Situation der deutschen Katholiken passt. Illusionslos schätzt Bugnyar auch die Friedensperspektive für das Heilige Land ein.

„Der Frieden kann nur im Land entstehen und nicht von außen kommen. Auch Barrack Obama wird da nicht ans Ziel kommen. Das Problem zwischen Israelis und Palästinensern besteht unter anderem darin, dass hier zwei ausgeprägte Opfermentalitäten aufeinander treffen. Frieden im Heiligen Land. Damit rechne ich zu meinen Lebzeiten nicht mehr.“

Fieser Text erschien am 24. September 2016 im Neuen Ruhrwort

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