Samstag, 7. November 2015

Ehrenamt rund ums Gotteshaus: Katholiken wählen ihren Kirchenvorstände

Kirchenvorstände hoffen auf eine
höhere Wahlbeteiligung als
beim letzten Mal

Am kommenden Wochenende sind 40.000 der 52.000 Mülheimer Katholiken in den Pfarrgemeinden St. Barbara, St. Marä Himmelfahrt und St. Mariae Geburt zur Kirchenvorstandswahl aufgerufen. Bei der letzten Wahl schwankte die Wahlbeteiligung zwischen 5 und 7 Prozent.

Jeder der drei Mülheimer Kirchenvorstände hat 16 gewählte Mitglieder. Hinzu kommt der Gemeindepfarrer, der qua Amt Vorsitzender des Kirchenvorstandes ist. Im Interesse einer größtmöglichen Kontinuität werden bei jeder Wahl immer nur die Hälfte der Kirchenvorstandsmitglieder gewählt. Wählen dürfen alle Katholiken ab 18.

Der Kirchenvorstand, der sich mindestens einmal monatlich, bei Bedarf auch öfter trifft, entscheidet über alle rechtlichen, finanziellen und personellen Angelegenheiten der Pfarrgemeinde. Auch wenn es um Restaurierungs- Grundstücks- und Immobilienfragen geht, sind die Kirchenvorstände gefragt. Muss das Kirchendach repariert werden? Soll ein neuer Kirchenmusiker angestellt werden? Muss eine kirchliche Immobilie vermietet oder verkauft werden? Wird ein Grundstück verpachtet?

Solche und ähnliche Themen beschäftigen, die Kirchenvorstände, die vier bis fünf Stunden pro Woche in ihre ehrenamtliche Arbeit investieren. Die Entscheidungen des Kirchenvorstandes werden in Sachausschüssen vorbereitet, ehe sie im Plenum beraten und entschieden werden.

Alle Kirchenvorstandsmitglieder haben jeweils eine Stimme. Nur, wenn es bei einer Abstimmung zu einem Patt kommt, zählt die Stimme des Pfarrers doppelt. Im Ernstfall müssen Kirchenvorstände für Fehlentscheidungen mit ihrem privaten Vermögen haften, wenn ihnen grobe Fahrlässigkeit nachgewiesen wird.

Die neuen Kirchenvorstände stehen vor schweren Aufgaben, weil die Pfarrgemeinden ähnlich wie 2006 erneut umstrukturiert werden müssen. Diesmal wird aber die Basis in den Pfarrgemeinden in die Entscheidungsfindung mit einbezogen. Aktuell kann jeder der drei örtlichen Pfarrgemeinden noch mit jährlich etwa 350.000 Euro Kirchensteuereinnahmen rechnen. Bis 2030 wird sich diese Summe aber halbieren.

Die Kirchenvorstände müssen darüber entscheiden, was die katholische Stadtkirche künftig noch leisten kann und leisten muss. Im Gegensatz zu dieser Verantwortung steht die extrem geringe Wahlbeteiligung in den vergangenen Jahren. Warum? Die Kirchenvorstände Michael Otto, Wolfgang Feldmann und Christian Löhr sehen eine allgemeine Demokratie- und Kirchenverdrossenheit als wesentliche Ursachen.


Warum engagierten sich Katholiken als ehrenamtliche Kirchenvorsteher?
Wolfgang Feldmann

Wolfgang Feldmann engagiert sich seit 1981 als stellvertretender Vorsitzender im Kirchenvorstand von St. Barbara. Der 64-jährige Familienvater, der bis zu seiner Pensionierung für ein Pharmaunternehmen gearbeitet hat, sagt: „Ich fühle mich von den Menschen in unserer Pfarrgemeinde getragen, die sich immer wieder motivieren lassen und mit anzufassen, wo sie gebraucht werden.

Für sie möchte ich so viel herausholen und so viel kirchliche Infrastruktur erhalten, wie es angesichts rückläufiger Kirchensteuereinnahmen und Kirchenmitglieder möglich ist.“

Feldmann war als Vorsitzender des Katholikenrates in den Jahren 2002 bis 2014 Sprecher der Katholischen Laien und engagiert sich unter anderem im ehrenamtlichen Mitarbeiterteam der katholischen Ladenkirche am Kohlenkamp. Zwischenzeitlich hat er auch im Diözesanrat des Bistums sowie im Zentralkomitee der Deutschen Katholiken mitgearbeitet.

Dr. Michael Otto

Michael Otto, der 64-jährige Hals-Nasen-Ohrenarzt, engagiert sich seit 1991 als Kirchenvorstand. Er kommt aus der Gemeinde Heilig Geist, die seit der Umstrukturierung von 2006 zur Pfarrgemeinde St. Mariae Geburt gehört. Seit 2006 ist Otto stellvertretender Vorsitzender des Kirchenvorstandes. Seine ehrenamtliche Arbeit empfindet der Familienvater eines erwachsenen Sohnes als menschlich und inhaltlich bereichernde Horizonterweiterung. Der aus einem rheinisch-katholischen Elternhaus stammende Otto war bis zu seinem 19. Lebensjahr aktiver Messdiener. „Das Ehrenamt sollte nie ein Streitamt werden“, sagt er. Die Zusammenarbeit mit seinen Kirchenvorstandskollegen empfindet er als menschlich angenehm und harmonisch. „Deshalb gehe ich auch immer wieder gerne zu unseren Sitzungen, auch wenn das in der Woche schon mal vier bis fünf Stunden Arbeit bedeuten kann“, betont Otto
Dr. Christian Löhr

Christian Löhr engagiert sich seit 2012 im Kirchenvorstand von St. Mariä Himmelfahrt. Der Jurist und Bankkaufmann aus Speldorf arbeitet heute als Rechtsanwalt und Notar. Er bezeichnet sich „als juristische Allzweckwaffe des Kirchenvorstandes.“ Rechtliche und finanzielle Fragen interessieren Löhr mehr als pastorale Fragen, „obwohl ich eine religiöse Grundüberzeugung habe.“ Deshalb arbeitet der Familienvater eines dreijährigen Sohnes lieber im Kirchenvorstand als im Pfarrgemeinderat mit. „Ich war früher mal Messdiener in St. Michael, habe mich dann aber 20 Jahre nicht mehr in der Kirche engagiert. Die Geburt meines Sohnes war der Anlass, es wieder zu tun“, sagt Löhr. Warum? „Weil die christlichen Kirchen auch jenseits konfessioneller Unterschiede für die humanitären Werte stehen, die unsere Gesellschaft im Innersten zusammenhalten. Deshalb muss Kirche sicht- und wahrnehmbar bleiben

Zahlen und Fakten

In den drei Mülheimer Pfarrgemeinden St. Barbara, St. Mariä Himmelfahrt und St. Mariae Geburt bewerben sich insgesamt 33 Kandidaten um 24 Mandate. Die Kandidaten müssen mindestens 21 Jahre alt sein. In jeder Pfarrgemeinde stehen acht von 16 Kirchenvorständen zur Neuwahl an.

Im letzten Jahrzehnt hat die kath. Stadtkirche 7000 Mitglieder durch Tod oder Austritt verloren. Für 2015 rechnet das Bistum mit einem Kirchensteuerrückgang von neun Prozent. 




Dieser Text erschien am 6. November 2015 in NRZ und WAZ

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