Montag, 12. Oktober 2015

Mit Charme und Ordnungssinn: Rita Baltes und Jacqueline Vieth vom Ordnungsamt schauen in der City nach dem Rechten

Zu Besuch bei Rita Baltes (links)
 und Jacqueline Vieth vom 2004 gegründeten
 Citydienst des Ordnungsamtes

Ein junger Mann schießt auf seinem Skateboard aus dem Löhberg. Um ein Haar hätte er einen Fußgänger auf der Schloßstraße von der Seite angefahren. Der junge Mann hat Glück. Hätten Rita Baltes und Jacqueline Vieth seine Aktion gesehen, wäre ein Bußgeld oder zumindest eine Verwarnung fällig gewesen. Wäre der Fußgänger auch noch zu Schaden gekommen, hätte es vielleicht sogar eine Strafanzeige wegen fahrlässiger Körperverletzung gegeben.

Denn Baltes (52) und Vieth (33) arbeiten beim Citydienst des Ordnungsamtes. Regelmäßig bestreifen sie zusammen die Innenstadt und die angrenzenden Bereiche in der Müga oder in Eppinghofen. Sie schreiben Parksünder auf, die zum Beispiel eben mal schnell zur Bank wollten und deshalb auf dem Behindertenparkplatz oder in der Feuerwehrzufahrt stehen. Auch Lieferwagenfahrer, die außerhalb der offiziellen Ladezeiten durch die Fußgängerzone kurven oder rasende Radfahrer, werden von ihnen verwarnt und mit einem Bußgeld belegt. „Wir sind die Mädchen für alles. Wir arbeiten hier an der Front und wir bringen keine Blumen“, sagen die beiden über ihre Arbeit. Wer die Damen im blauen Dienstdress mit der Aufschrift „Ordnungsamt“ sieht und von ihrem Berufsalltag erzählen hört, spürt ihre freundlichen Bestimmtheit.
Wenn sie Parksünder oder Radrowdys bestrafen, Autos stillegen, weil die Halter ihre KFZ-Versicherung nicht bezahlt haben oder abgelehnte Asylbewerber zum Flughafen begleiten, machen sie sich nicht beliebt. Dann müssen sich die Beamtinnen des mittleren Dienstes auch schon mal anhören: „Ihr seid wohl in einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme, weil die Stadt Geld braucht. Wie kann man nur so einen Scheiß-Job machen?“

„Man muss solche Unverschämtheiten einfach an sich abperlen lassen und darf nicht darauf eingehen“, weiß Jacqueline Vieth. Sie kam vor sieben Jahren zum Citydienst. Damals hatte sie schon eine Ausbildung zur Kauffrau für visuelles Marketing, eine Babypause und eine anschließende Umschulung zur Verwaltungsfachangestellten hinter sich. „Man braucht für unsere Arbeit viel soziale Kompetenz und Menschenkenntnis. Man muss auf Menschen zu- und eingehen können und begreifen, dass Beleidigungen nicht persönlich gemeint sind, sondern sich gegen die Amtsautorität richten, die wir vertreten“, sagt Vieth. „Es ist alles mehr geworden, mehr Falschparker, mehr Radraser, mehr Zulieferverkehr außerhalb der Ladezeiten, mehr Bettler und mehr Klagen über Lärm und Müll“, schildert ihre Kollegin Baltes die Entwicklung. Sie kam vor 25 Jahren als erste Frau zum Vollzugs- und Ermittlungsdienst des Ordnungsamtes. Damals gab es den 2004 eingerichteten Citydienst noch nicht in seiner heutigen Form. Die 52-Jährige, die nach ihrer Mittleren Reife an der Realschule Stadtmitte mit einer Schulfreundin ihre Ausbildung bei der Stadtverwaltung begann, stellt eine zunehmende Respektlosigkeit fest. Wenn sie im Forum schulschwänzende Jugendliche aufgreift und sie von Amts wegen auch schon mal von zu Hause abholt, um sie zur Schule zu befördern, hat sie keinen Amtsbonus. Statt dessen bekommt sie oft zu hören: „Was wollt ihr eigentlich von mir?“ Baltes sieht sich immer mehr in die Rolle einer Sozialarbeiterin gedrängt, ob sie nun herumlungernde Jugendliche aus zerrütteten Familien zur Räson ruft, aggressive Bettler des Platzes verweist oder eine altersverwirrte Frau im Bademantel nach Hause bringt.

„Die Probleme, mit denen wir täglich zu tun haben, sind keine Innenstadtprobleme. Es sind soziale Probleme“, sagt Baltes. Immer wieder erfahren sie und ihre Kollegin Vieth, dass sich Kritik und Lob an ihrer Arbeit die Waage halten. „Viele Leute sind dankbar, wenn sie uns sehen und spüren, dass wir uns um ihre Anliegen kümmern und ihnen ein Gefühl von Sicherheit vermitteln. Andererseits werden wir auch schon mal als Wegelagerer beschimpft, wenn wir ein Bußgeld kassieren“, beschreibt Baltes die Spannweite der Bürgerresonanz auf ihre Arbeit im öffentlichen Raum und im Dienste der öffentlichen Sicherheit. Schmunzeln muss sie, wenn sie an die Frau denkt, die sie erbost fragte: „Warum lassen Sie den armen Mann nicht in Ruhe?“, als sie mit ihrer Kollegin gegen einen aggressiven Bettler mit Krücke vorging und anschließend mit ihm zum Bahnhof ging.

Denn der Mann war gut zu Fuß und angesichts der geballten Frauenpower vom Ordnungsamt so einsichtig, mit der S-Bahn in die Nachbarstadt zu fahren, um dort sein Glück zu versuchen. „Unsere Dienstzeit endet nicht, wenn wir unsere Dienstkleidung ausziehen. Denn dann werden wir auch in der Stadt auf Müll, Falschparker oder Ruhestörung angesprochen. Dann heißt es: Sie sind doch beim Ordnungsamt. Ich hab da mal eine Frage und ein Problem. Können Sie mir weiterhelfen“, berichten Vieth und Baltes. Doch diese unbezahlte Verlängerung nehmen die reisefreudigen Beamtinnen vom Ordnungsamt mit Blick auf ihren sicheren Arbeitsplatz und die Aussicht auf den nächsten Urlaub gerne in Kauf.

Dieser Text erschien am 10. Oktober 2015 in der Neuen Ruhr Zeitung

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