Montag, 16. März 2015

Knut Binnewerg: Der Mann am Steuer

„Wenn man bekannt und beliebt werden will, muss man eine Bürgerbuslinie ins Leben rufen“, sagt Knut Binnewerg und lacht. Der Mann muss es wissen, hat er doch im Oktober 2012 mit 30 anderen ehrenamtlichen Fahrerkollegen den Styrumer Bürgerbus ins Rollen gebracht. Ein bis zweimal pro Woche sitzt er für jeweils drei Stunden hinter dem Steuer und fährt vor allem ältere und behinderte Bürger durch den Stadtteil. Meistens geht es zum Arzt oder zum Einkaufen. „Obwohl es in Styrum zwei Bus- und zwei Straßenbahnlinien gibt, haben wir hier viele Wohnquartiere, die nicht optimal an den öffentlichen Personennahverkehr der Mülheimer Verkehrsgesellschaft angebunden sind, weil der Fußweg zur nächsten Haltestelle für viele Leute zu weit wäre“, erklärt Binnewerg, warum sich seine Mitstreiter und er 2012 in das Abenteuer Bürgerbus stürzten. Fahrgäste, wie Ursula Reich (62) und ihr gehbehinderter Mann Willi (68) sind für Binnewerg der beste Beweis, dass der Bürgerbus in Styrum gebraucht wird. „Seit es den Bürgerbus gibt, haben wir an Mobilität gewonnen und mein Mann kann jetzt zur Not auch mal allein zum Marktcenter an der Steinkampstraße fahren und dort einen Kaffee trinken“, freut sich Ursula Reich. „Die sind außerdem immer sehr freundlich und hilfsbereit“, lobt sie Binnewerg und die anderen Bürgerbusfahrer. Tante Emma auf vier Rädern Tatsächlich bleibt der Bürgerbusfahrer auf seiner Tour nicht stur hinter seinem Lenkrad sitzen und kassiert die 1,50 Euro für die einfache Fahrt oder notiert, ob ein Fahrgast mit Schwerbehindertenausweis freie Fahrt hat und die Kosten von der Bezirksregierung erstattet werden.

Immer wieder steht er auf, hilft Fahrgästen bei Bedarf aus oder in den achtsitzigen Kleinbus. Auch wenn Rollatoren oder Einkaufstaschen hinein oder hinaus zu bugsieren sind, ist Binnewerg ein Mann der Tat. Der 66-Jährige muss nicht um Hilfe gebeten werden. Er sieht, wenn jemand Unterstützung braucht und packt mit an. Auch die zweite oder dritte Krankengeschichte des Tages hört er sich geduldig an und ist nie um einen Scherz oder ein aufmunterndes Wort für seine Fahrgäste verlegen. Und wenn es der Fahrplan des im Stundentakt durch Styrum pendelenden Bürgerbusses erlaubt, dann wird auch schnell mal eine schwere Einkaufstasche bis zur Haustür getragen. „Wir sind hier so was, wie ein rollender Tante-Emma-Laden“, beschreibt Binnewerg die charmante Mischung aus Nahverkehr, Nahversorgung und menschlicher Nähe.

„Obwohl ich schon über 40 Jahre in Styrum lebe, staune ich immer wieder darüber, dass sich dieser von der Industrie geprägte Ort, einen dörflichen Charakter bewahrt hat. Hier kennt jeder jeden und jeder spricht mit jedem“, erzählt der pensionierte Hauptschullehrer, der früher die Schüler der Hexbachtalschule auf den richtigen Weg gebracht hat, auch wenn dafür schon mal Umwege nötig waren. „Da musste man manchmal nicht nur Lehrer, sondern auch Vater und Sozialarbeiter sein“, erinnert sich Binnewerg an sein pädagogisches Berufsleben, das er 2013 abgeschlossen hat. Seine kommunikative Art und sein pädagogisches Fingerspitzengefühl, das spürt man auch bei der Fahrt durch den Stadtteil, hat sich Binnewerg bewahrt.

Seine Fähigkeit, Dinge in die richtige Richtung zu steuern, in dem er beherzt auf Menschen zugeht, sie ansprechen und zum Mitmachen zu motivieren, hat er auch schon in seiner Zeit als Bezirksvertreter und Bezirksbürgermeister genutzt. Und er nutzt sie heute nicht nur als Vorsitzender des Bürgerbusvereins, sondern auch als Schiedsmann, der in seinem Stadtteil Nachbarschaftsstreitigkeiten schlichtet. „Ich freue mich, wie Bolle, dass das mit dem Bürgerbus funktioniert“, sagt Binnewerg mit Blick auf die 700 Fahrgäste, die jeden Monat mit dem Bürgerbus fahren, der seit seiner ersten Fahrt im Herbst 2012 immerhin schon 92 000 Kilometer zurückgelegt hat. Tatsächlich sind Sätze, wie: „Das ist schon klasse, dass es so was gibt“ bei der Fahrt mit dem Bürgerbus öfter zu hören. „Man ist einfach mittendrin und sieht, dass das, was man macht auch Sinn macht und den Leuten ganz konkret hilft“, beschreibt Binnewerg seine ganz persönliche Motivation. Deshalb setzt er sich auch als Ruheständler nicht nur hinter das Lenkrad des Bürgerbusses, sondern als Vorsitzender des Bürgerbusvereins auch täglich an seinen heimischen Schreibtisch, um organisatorische Fragen zu klären: Haben wir genug Fahrer und genug Werbepartner für unseren Bus? Und muss das Fahrzeug mal wieder zur Inspektion oder in die Waschstraße?

Dabei lässt Binnewerg keinen Zweifel daran, dass der Erfolg des Styrumer Bürgerbusses keine One-Man-Show ist, sondern am Lenkrad, wie am Vereinssteuer im Vorstandsteam viele Väter und Mütter hat, die wie Binnewerg unentgeltlich viel Zeit und Energie investieren, um Bürger mit dem Bürgerbus im besten Sinne des Wortes zu bewegen und mobil zu machen. Für Knut Binnewerg steht fest, dass er auch in seinem Ruhestand weiter am Steuer des Bürgerbusses bleiben will, so lange die Gesundheit mitmacht. „Denn“, so sagt der Pensionär der auch politisch aktiv is: „Ich habe mich einfach daran gewöhnt, mich ehrenamtlich zu engagieren und will damit nicht aufhören. Denn beim Bürgerbus stellen sich die Erfolgserlebnisse, anders als in meiner Zeit als ehrenamtlicher Kommunalpolitiker, einfach schneller ein.“

Dieser Text erschien am 7. Februar 2015 in der Neuen Ruhr Zeitung

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