Sonntag, 29. März 2015

Alt werden ist nichts für Feiglinge: Das Backsteintheater begeisterte mit der musikalischen Tragikkomödie "For ever young"

„26 Inszenierungen mit 364 Aufführungen in 25 Jahren. In Zeiten knapper Kassen ist es keine Selbstverständlichkeit, dass sich das Evangelische Krankenhaus ein Theater leistet“, sagt Backstein-Theaterleiter Michael Bohn. Damit bekommt er zurecht den ersten Applaus des Abends, an dem der Theatergründer Vokmar Spira ebenfalls zurecht in der ersten Reihe sitzt.
Und dann wird es ernst oder heiter oder beides zugleich.

Denn die Backstein-Schauspieler Robert Külpmann, Nadine Kellerberg, Klaus Wehling, Martin Iwanow, Wolfgang Bäcker und Marie Elisabeth Zipp sehen an diesem Abend, an dem Erik Gedeons Komödie „Ewig jung“ Premiere hat, verdammt alt aus. Kein Wunder. Denn sie spielen sich selbst, allerdings im Jahre 2040 als Insassen ihres ehemaligen Theaters, das den Schauspielern jetzt als Altenheim dient. Sabine Dams und Karmen Laco haben in der Maske ganze Arbeit geleistet.
Es ist für die Schauspieler, zu denen auch Schwester Ursula, alias Ursula Bönte, gehört, kein leichter Abend. Denn sie müssen in eine Rolle schlüpfen, die sie mit Alter, Gebrechlichkeit und Vergänglichkeit konfrontiert. Nicht nur diese Herausforderung meistern sie. Sie singen auch und das gut. Dem Training mit der ausgebildeten Musical-Sängerin Marie Zipp sei Dank.
Mit Musik geht eben alles leichter. Und so kommt nicht nur Schwung auf die Bühne, sondern auch ins Publikum, als Herr Bäcker, Herr Wehling und Herr Iwanow bei „Saturday Night Fever“ von gebrechlichen Greisen zu Travoltas werden. Auch bei anderen Ohrwürmern, wie: „I love Rock’n roll“, „Hey, Mister Tamborin-Man“, „For ever young“ und „I will survive“ werden nicht nur bei den Oldies auf der Bühne, sondern auch bei ihren nicht mehr ganz jungen Zuschauern Lebenserinnerungen wach.

Kein Wunder, dass Frau Kellerberg, die ihre Mitbewohner schon mal gerne mit „Arschgesicht“ und anderen unzitierbaren Unflätigkeiten traktiert, plötzlich ganz weich wird. „Früher war es besser. Was war das doch geil, als wir auf einem Baum saßen, um den Bau einer Autobahn zu verhindern und ich mit einem Typen zusammen war, dessen Dreadlocks so fettig waren, dass man damit eine Fahrradkette hätte schmieren konnte.“

Die Backstein-Schauspieler überzeugen vor allem in den Momenten, in denen Zuschauern das Lachen im Halse stecken bleibt, weil sich Tragik und Komik berühren. Das ist etwa so, als Frau Kellerberg und Frau Zipp im Eifer des Gefechtes plötzlich ihr Holzbein oder ihre Perücke verlieren und „Now those days are gone“ singen. Das gilt auch für die Szene, in der Herr Wehling seinen Bühnen-Kollegen Herrn Bäcker beim abendlichen Heim-Spiel ermahnt: „Es heißt: Mein und nicht ein Königreich für ein Pferd“ und der Gescholtene trocken feststellt: „Ich bin schon froh, dass ich mich noch an das richtige Tier erinnern kann.“ Wie singt es Schwester Ursula ihren Schützlingen: „Ich sag es euch ins Gesicht: Das Leben macht Spaß, das Alter nicht.“

Dieser Text erschien am 16. März 2015 in der Neuen Ruhr Zeitung

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Weihnachten im Krieg

  Manchmal scheint es so, als lerne die Menschheit nichts aus ihrer Geschichte. Auch dieses Jahr ist Weihnachten ein Fest des Friedens, mitt...