Dienstag, 28. Januar 2014

Auf einen Cognac bei Adenauer: Der Mülheimer Christdemokrat Paul Heidrich erinnert sich an eine Begegnung mit dem ersten Bundeskanzler


Vor 50 Jahren, im Oktober 1963, trat der erste BundeskanzlerKonrad Adenauer von seinem Amt zurück. Wie mit seinem Koalitionspartner von der FDP vereinbart, übergab der 87-jährige Regierungschef sein Amt an seinen Wirtschaftsminister Ludwig Erhard, blieb aber Bundesvorsitzender der CDU.

„Jetzt müsste er doch mehr Zeit haben, um uns einmal zu empfangen“, erinnert sich der ehemalige CDU-Ratsherr und Fraktionschef Paul Heidrich an die Idee seiner damaligen Vorstandskollegen bei der Jungen Union, die mit diesem Ansinnen im Oktober 1963 an Adenauer schrieben. „Wir waren überrascht, als wir schon relativ bald einen Brief von Adenauers Privatsekretär bekamen, der uns einen Besuch in Adenauers Privathaus in Rhöndorf in Aussicht stellte“, erzählt Heidrich.

Die Gelegenheit dazu ergab sich dann am 7. Dezember 1963. Heidrich hat noch die NRZ-Ausgabe, die am 10. Dezember 1963 davon berichtete: „Eine interessante Zwischenstation machten die Mitglieder der Jungen Union auf ihrer Fahrt nach Winningen an der Mosel in Rhöndorf. Alt-Bundeskanzler Dr.Konrad Adenauer empfing die Mülheimer zu einem halbstündigen Gespräch. In dem Moselstädtchen Winningen veranstaltete die JU eine Wochenendtagung.“

Heidrich, damals 19 Jahre jung und Pressesprecher der Mülheimer JU, korrigiert den alten NRZ-Artikel: „Das Gespräch, zu dem uns Adenauer mit französischem Cognac in seinem Musikzimmer empfing, sollte nur eine halbe Stunde dauern, dauerte am Ende aber eineinhalb Stunden.“ Und was waren die Themen der Privataudienz beim Altkanzler?

„Wir haben mit Adenauer damals von unserer Parteiarbeit vor Ort berichtet und darüber gesprochen, wie sich die Beziehungen zwischen Amerika und Europa nach der Ermordung des amerikanischen Präsidenten John F. Kennedy am 22. November 1963 weiterentwickeln würden,“ berichtet Heidrich. Er erinnert sich auch noch an die mit erhobenen Zeigefinger vorgetragene Feststellung Adenauers, dass die internationale Lage sehr ernst sei und dass sich die CDU nicht auf ihren Lorbeeren ausruhen dürfe.

„Eine Delegation der Mülheimer JU zu empfangen, dafür hätte Angela Merkel aufgrund ihrer Doppelbelastung als Kanzlerin und Parteivorsitzende heute wahrscheinlich gar keine Zeit“, vermutet er. Er glaubt auch nicht, dass ein solcher Besuch in ihrem Privathaus, sondern wenn, dann nur ganz offiziell im Konrad-Adenauer-Haus oder im Kanzleramt stattfinden würde.

„Die Strukturen des Politikbetriebs sind heute sehr viel ausdifferenzierter. Zu Adenauers Zeiten hatte die CDU noch nicht mal einen Generalsekretär,“ weiß Heidrich. Und was würde er die Kanzlerin heute fragen, wenn er noch mal 19 wäre und die Chance hätte, sie als Vorstandsmitglied der Jungen Union zu treffen? „Heute müsste die Kritik an der für unsere Gesellschaft geradezu tödliche n Zunahme prekärer Arbeitsverhältnisse und der damit verbundenen Forderung nach mehr unbefristeten und sicheren Arbeitsverhältnissen der Dreh- und Angelpunkt eines solchen Gespräches sein. Und da Jugendliche heute ganz selbstverständlich Handy und Internet nutzen, wäre angesichts der Ausspähaffäre um den amerikanischen Geheimdienst NSA auch die Datensicherheit ein ganz großes Thema“, vermutet er.

Darüber, ob Merkel, wie einst Adenauer die gut strukturierte Arbeit der Mülheimer JU loben und dem christdemokratischen Nachwuchs, wie einst der Alte, empfehlen würde, bei aller politischen Arbeit auch die Weinprobe an der Mosel nicht zu vergessen, kann der Polit-Senior nur spekulieren. Doch im Rückblick auf seine aktive Zeit in der Jungen Union, als die Mülheimer JU 180 von 800 Parteimitgliedern stellte, eigene Räume an der Eppinghofer Straße hatte und regelmäßig zu Informations- und Bildungsveranstaltungen einlud oder in der Presse Position bezog, bedauert der 69-jährige Christdemokrat, dass er heute so wenig vom Nachwuchs seiner Partei hört.
 

Dieser Text erschien am 7. Dezember 2013 in der Neuen Ruhr Zeitung

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