Eine der zentralsten Straßen der Stadt trägt seinen Namen: Friedrich Ebert wurde vor 150 Jahren geboren. Was hat uns der erste Sozialdemokrat an der deutschen Staats- und Regierungsspitze heute zu sagen? Die Mülheimer Woche befragte dazu denUnterbezirksvorsitzenden der aktuell 1300 Mitglieder zählenden Mülheimer SPD, Rodion Bakum.
Eine der zentralsten Straßen der Stadt ist nach dem sozialdemokratischen Reichspräsidenten Friedrich Ebert (1871-1925 benannt. Warum macht das aus Ihrer Sicht auch heute noch Sinn?
Rodion Bakum: Weil uns nicht nur dieser Straßenname dazu anregt, uns mit unserer Geschichte und Kultur auseinanderzusetzen. Das gilt auch für umstrittene Straßennamen, wie den der Fritz-Thyssen Straße oder für die Frage, ob wir neben einer Konrad-Adenauer-Brücke und einem Theodor-Heuss-Platz vielleicht auch eine Helmut-Kohl-Brücke oder eine Clara-Zetkin-Straße haben sollten. Wenn man weiß, dass die Friedrich-Ebert-Straße früher Hindenburg-Straße hieß und heute an die zwischenzeitliche Adolf-Hitler-Straße, die seit 1945 wieder nach dem liberalen deutschen Kaiser Friedrich III. benannt ist, dann ist das schon eine Auseinandersetzung mit unserer Geschichte. Ich selbst wäre nie auf die Idee gekommen, die ehemalige Hauptschule an der Bruchstraße nach Max Kölges zu benennen, wenn ich nicht über die Max-Kölges-Straße dazu motiviert worden wäre, mich mit der Biografie des in der genossenschaftlichen Daseinsvorsorge aktiven Handwerksmeister, Stadtrates und Bürgermeisters auseinanderzusetzen. Und so ähnlich ist das mit Friedrich Ebert auch.
Wie würden Sie Friedrich Ebert in der Geschichte einordnen?
Rodion Bakum: Er wat für Deutschland nach dem Ersten Weltkrieg und für die Sozialdemokratie des Kaiserreiches und der Weimarer Republik eine ganz zentrale Figur. Als ehemaliger Volksschüler und Sattlergeselle, der später in den Gewerkschaften, in der SPD und dann erst in der Kommunalpolitik aktiv wurde, war Ebert ein pragmatischer Reformpolitiker, der seine Wurzeln nie verleugnet hat und stolz auf sie war. Aus seiner eigenen Biografie wusste er sehr genau um die zentrale politische Bedeutung der Bildung als Voraussetzung für sozialen Aufstieg und politische Teilhabe. Deshalb macht es auch Sinn, dass die SPD ihre Stiftung nach Friedrich Ebert benannt hatte. Als sozialdemokratischer Reformpolitiker wollte Ebert keine Revolution, sondern die Monarchie beibehalten, weil er wusste, dass man gesellschaftliche Strukturen nicht von heute auf morgen ändern kann. Als er aber erkennen musste, dass er die Revolution nicht aufhalten konnte, setzte er sich an ihre Spitze, um sie mitgestalten kann. Ebert steht für die Wurzeln der Sozialdemokratie und für Errungenschaften wie den Achtstundentag, die Tarifautonomie, das Frauenwahlrecht und die grundsätzliche Gleichberechtigung von Frauen und Männern. Nicht von ungefähr, war es die Sozialdemokratin Marie Juchacz, die die als erste Abgeordnete 1919 vor der Nationalversammlung der Weimarer Republik sprach. Darauf kann man als Sozialdemokrat stolz sein. Natürlich steht der von vielen hoch verehrte Friedrich Ebert auch für das sozialdemokratische Schisma. die Abspaltung der USPD und der KPD. Und er steht auch dafür in der Kritik, mithilfe alter Monarchisten die Rote Ruhrarmee und den Spartakusaufstand bekämpft und damit auch zur Ermordung der ehemaligen Sozialdemokraten Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht mitverantwortlich zu sein. Friedrich Ebert war eine Lichtgestalt mit einigen Schatten. Er wurde von der extremen Linken als Arbeiterverräter und von der extremen Rechten als Vaterlandsverräter verleumdet, weil er politisch in der Mitte stand und bereit war, mit anderen demokratischen Parteien zusammenzuarbeiten.
Was würde Friedrich Ebert heute seinen sozialdemokratischen Genossen sagen, die ja aktuell auch in einer schwierigen Situation sind?
Rodion Bakum: Friedrich Eberts Feststellung: "Demokratie braucht Demokraten!" ist heute so aktuell wie zu seiner Zeit. Und sicher würde er uns vor dem Hintergrund seiner eignen Lebenserfahrung mit auf den Weg geben: "Vergesst eure Wurzeln nicht und macht Politik für die Menschen und nicht für die Partei. Genau das hat später auch Willy Brandt gesagt. Und sicher hätte er auch den für mich als Mediziner und Kommunalpolitiker prägenden Satz des österreichischen Sozialdemokraten, Arztes und Psychotherapeuten Alfred Adler unter- und uns ins Parteibuch geschrieben: "Unsere Aufgabe ist es, Gutes zu tun und Schaden abzuwenden, ob in der Medizin für die Patienten oder in der Politik für die Menschen."
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