Haben Sie mal einen Euro? So fragt die Fleischereifachverkäuferin. „Diesen Satz höre ich sonst nur auf der Straße“, meint die Kundin, während sie ihren Aufschnitt im Einkaufskorb versenkt.
Andächtige Stille. Einen Augenblick fühlt es sich so an, als stünden alle jene mit im Raum, die man in keiner Metzgerei sieht, weil ihnen aus welchen Gründen auch immer der Euro fehlt, den man braucht, wenn es nicht nur beim Metzger um die Wurst geht. „Ich kann das auch. Man lernt dazu“, löst die Dame hinter der Theke das Schweigen und sorgt für allgemeine Heiterkeit. Allen vor und hinter der Theke wird plötzlich klar, dass sie allen Grund zur Freude haben, solange sie noch etwas kaufen oder verkaufen können und die Kasse stimmt. Und in diese vollmundige Dankbarkeit für die eigenen Möglichkeiten mischt sich bei dem einen oder anderen Schnitzeljäger, die Hoffnung, dass Deutschlands Fleischtöpfe angesichts von Rekordsteuereinnahmen von insgesamt 808 Milliarden Euro so groß sind, dass es in unserem Land keine armen Würstchen mehr geben bräuchte, wenn der eine oder andere ganz große Hans Wurst nicht nur an seinen eigenen Fleischtopf denken würde.
Dieser Text erschien am 20. Juli 2016 in der Neuen Ruhr Zeitung
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