Bis zum Frühjahr 2013 kannte Constant Leke aus Kamerun Deutschland
nur vom Hörensagen, das bis 1918 Kolonialmacht in seinem Land war. Damals
arbeitete der heute 36-jährige Theologe gerade mal zwei Jahre als Pfarrer in
Mamfe, als sein Name plötzlich auf einer Liste seines Bischofs Francis Lysinge
stand. Der hatte eine Anfrage seines Essener Amtsbruders Franz-Josef Overbeck
auf dem Tisch liegen. Overbeck suchte einen Geistlichen, der die kamerunische
Gemeinde in Mülheim-Styrum und die vor allem aus afrikanischen Ländern
stammenden französischsprachigen Katholiken im Ruhrbistum betreuen könnte.
Außerdem sollte Leke zusammen mit Gemeindereferentin Sigrid Geiger die Leitung
der Gemeinde St. Mariae Rosenkranz übernehmen, deren Pastor Norbert Dudek als
Pfarrer nach St. Marien in Schwelm wechseln sollte.
Da Leke gleichermaßen Englisch wie Französisch sprach, kam er
als Kandidat für die Auslandsseelsorge im fernen Deutschland in Frage, obwohl
er bis dahin kein Wort Deutsch sprach. Doch ein viermonatiger Intensivkurs in
der Hauptstadt Jaunde änderte das. „Ich habe sehr viel über Deutschland
gelesen, aber eigentlich zog mich dort nichts hin. Ich wusste, dass es dort
kälter, als in Kamerun war und das auch Probleme mit Rassismus gab“, erinnert
sich Leke an seine Vorbereitung auf die Mission Ruhrgebiet. Doch für den
katholischen Priester, der seinem Bischof Gehorsam versprochen hatte, war es
keine Frage, dass er den Auftrag, nach Deutschland zu gehen, erfüllen würde.
„Ich habe schon als Grundschüler die Berufung in mir gespürt, Priester zu werden und Menschen dort zu helfen und sie als Seelsorger zu begleiten, wo sie mich brauchen“, erzählt Leke. Im August 2013 traf er in seiner neuen Gemeinde St. Mariae Rosenkranz ein. „Am Anfang war es sehr schwer und obwohl ich einen mehrmonatigen Deutschkurs hinter mir hatte, hatte ich das Gefühl völlig fremd zu sein und kein einziges Wort zu verstehen“, erinnert er sich an seine ersten Tage am Styrumer Marienplatz.
Dass er sich inzwischen dort fast, wie zu Hause fühlt und die
deutsche Sprache gut spricht und versteht, hat unter anderem auch mit Burglind
Werres zu tun, die die Gemeindebücherei leitet, und ihn mit ihrem Schulenglisch
einfach ansprach. Inzwischen sind die beiden nicht nur im neuen Gospelchor, den
Leke mit Mitgliedern der kamerunischen Gemeinde ins Leben gerufen hat, ein
eingespieltes Team. Werres und Leke haben auch das Hilfswerk Mamfe Charity gegründet.
Das will eine Schule in Lekes alter Heimat unterstützen und so eine Brücke in
seine neue Heimat schlagen.
„Als ich von Pastor Leke hörte, dass es dort nicht nur an Büchern und Notebooks, sondern auch an Fenstern, Türen, Tischen und Stühlen fehlt und die oft bitter armen Eltern pro Schuljahr und Kind zwischen 50 und 70 Euro Schuldgeld bezahlen müssen, war mir klar, dass man da was tun muss“, sagt Werres. „Über 80 Prozent der Menschen in Mamfe arbeiten als Bauern. Sie arbeiten viel und verdienen wenig, weil die Böden nicht viel Ertrag bringen. Deshalb leben viele Menschen von der Hand in den Mund, aber die Gottesdienste und Gebetsgruppen sind immer gut besucht“, skizziert Leke die soziale und religiöse Ausgangslage in seiner alten Heimat, in der 38 Prozent der Einwohner Katholiken sind, es aber keine Kirchensteuer, wie in Deutschland, gibt. Katholische Schulen werden in Kamerun ebenso wenig aus Steuermitteln bezahlt, wie katholische Priester, die auf die Spenden aus ihrer Gemeinde angewiesen sind, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten und das eine oder andere für Bedürftige zu erübrigen. „Das ist ein Unterschied wie Tag und Nacht. Das kann man gar nicht miteinander vergleichen“, betont Leke mit Blick auf die katholischen Kirchen in Kamerun und Deutschland. Um ihren Lehrbetrieb aufrechtzuerhalten, sind katholische Schulen im Kamerun auf Schulgeld angewiesen. „Aber wenn Eltern plötzlich sterben oder das Schuldgeld nicht mehr aufbringen können, müssen manchmal auch begabte Kinder die Schule abbrechen“, beschreibt Leke das Bildungsdilemma in Kamerun, das trotz Schulpflicht immer noch eine Analphabetenquote von rund 25 Prozent hat. „Bei uns wird Schülern vieles nachgetragen und kostenlos zur Verfügung gestellt. Doch in Kamerun müssen Eltern und ihre Kinder zum Teil schwere Opfer bringen, um eine Schulausbildung zu bekommen, ohne die Kinder keine Zukunft haben“, erklärt Werres, warum sie sich dafür stark macht, die katholischen Schulen in Mamfe mit Geld- und Sachspenden zu unterstützen.
Mit einem Benefizkonzert des neuen Gospelchores und mit einer
Blauen Stunde in der Gemeindebücherei, die ihren Gästen nicht nur von Afrika
erzählte, sondern mit einem deutsch-afrikanischen Buffet den schwarzen
Kontinent auch kulinarisch erleben ließ, konnten erste Spenden für Stipendien
und Schulmaterial eingenommen werden. Außerdem freut man sich über alte, aber
noch gut zu gebrauchende Notebooks, Schreibmaterial und Schultaschen, die
demnächst im katholischen Gymnasium von Mamfe ihr zweites Schulleben beginnen
werden. Dort lernen aktuell 250 Mädchen und Jungen fürs Leben. Auch Rollstühle,
Rollatoren und Blindenstöcke werden in Mamfe gebraucht, um behinderten Schülern
mehr Selbstständigkeit und Mobilität verschaffen zu können.
Damit man einen ordnungsgemäßen Geldtransfer gewährleisten-
und Spendenquittungen ausstellen kann, hat sich das noch kleine Hilfswerk, Mamfe
Charity dem großen katholischen Hilfswerk Missio angeschlossen. Außerdem freuen
sich Leke und Werres darüber, dass sie inzwischen einen EDV-Fachmann für ihre
gute Sache gewinnen konnten, der die alte Hardware aus Deutschland für die
Kinder in Kamerun auf Vordermann bringt. Weitere Helfer, die sich in einem
kleinen Team für die Schulentwicklungshilfe im Südwesten Kameruns engagieren
möchten, sind ihnen natürlich willkommen. Wer dem Hilfswerk Mamfe Charity helfen
möchte, sollte sich unter der Rufnummer 0177-9276974 oder per E-Mail an: burglind_we@yahoo.com mit Burglind Werres in Verbindung setzen.
Dieser Text erschien am 3. Januar 2015 im Neuen Ruhrwort
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