Samstag, 14. Dezember 2013

Menschlichkeit schenken: Warum wir nicht nur zur Adventszeit private Hilfsbereitschaft brauchen, obwohl wir doch in einem vermeintlich reichen Sozialstaat leben: Ein Gespräch mit der Sozialmanagerin Monika Schick-Jöres von den Caritas Sozialdiensten

Im Vorfeld der jetzt abgeschlossenen Wunschbaumaktion von NRZ und Caritas sprach ich im Auftrag der NRZ-Redaktion mit der zuständigen Projektleiterin der Caritas, Monika Schick-Jöres warum wir auch in einem vermeintlich reichen Sozialstaat private Mildtätigkeit brauchen.

Frage: Warum sollte man einen Wunschzettel vom Wunschbaum pflücken und Päckchen packen?

Antwort: Weil das zu einer menschlicheren Stadt beiträgt. Und wenn man sich mit seiner Stadt verbunden fühlt, dann hat man hier die Möglichkeit, selbst für etwas mehr Mitmenschlichkeit zu sorgen, zumal, wenn man weiß, dass es im Leben nicht immer gerecht zugeht und viele Menschen auch unverschuldet in Not geraten.

Frage: Warum hat das auch in einem Sozialstaat Sinn, in dem es Sozialleistungen für Hilfsbedürftige gibt?

Antwort: Natürlich gibt es Sozialleistungen, die das Überleben der Bedürftigen sichern. Und wir spüren bei den Menschen und Familien, die wir als Caritas mit unserer Hilfe und Beratung begleiten, auch eine große Dankbarkeit dafür, dass es einen solchen Sozialstaat gibt. Aber es gibt immer auch Dinge, die in den Regelsätzen der Sozialleistungen nicht enthalten sind. Und dazu gehören eben auch Weihnachtsgeschenke, die für gut situierte Familien selbstverständlich sind.

Frage: Wer bekommt denn die Geschenkpakete, die unter dem Wunschbaum abgelegt werden?

Antwort: Das sind alleinstehende Menschen, Kinder und Familien, die wir aus unseren Beratungs- und Betreuungsdiensten kennen und die zu weit über 90 Prozent auf Arbeitslosengeld II angewiesen sind. Weil wir ihre Situation kennen, wissen wir, was am dringendsten gebraucht wird und womit wir ihnen einen Lichtblick verschaffen können.

Frage: Was sind das für Lichtblicke, von denen Sie sprechen?

Antwort: Im Winter ist vor allem die Winterkleidung ein Problem, zumal bei Kindern, die wachsen und jedes Jahr neue Winterkleidung brauchen. Dafür kann man dann nicht erst ansparen. Da müssen dann eben die Daunenjacke oder die gefütterten Stiefel sofort her. Hier helfen nicht nur Kleidung, sondern auch Einkaufsgutscheine, die regelmäßig gewünscht und verschenkt werden. Aber auch Lebensmittelpakete, die die Haushaltskasse entlasten, Kinogutscheine und Einkaufsgutscheine für Pflege- und Hygieneartikel, Spielzeug, Lernspiele, Hörspiel-CDs oder Kindergartentaschen und Tornister können ein solcher Lichtblick sein. Das kommt immer auf die jeweilige Lebenssituation an.

Frage: Welche Schicksale stehen hinter den Adressaten, deren Vorname und Wunsch man auf dem jeweiligen Wunschbaumzettel lesen kann?

Antwort: Das sind kinderreiche Familien, aber auch Alleinerziehende und alleinstehende Menschen, die etwa durch Lebenskrisen und Schicksalsschläge in Not geraten sind. Das können Arbeitslosigkeit, aber auch Krankheit, Pflegebedürftigkeit, der Tod eines Partners, fehlende Familiennetzwerke und eine geringe Altersrente sein. Wir sprechen manchmal auch von Menschen, die betreut werden müssen, weil sie ihren Alltag nicht selbstständig regeln können oder von Menschen, die keinen Beruf und kein Einkommen haben, weil sie nicht gefördert wurden und deshalb frühzeitig aus der Bildungskette herausgefallen sind.

Frage: Wie reagieren die Beschenkten auf ihre Weihnachtspäckchen vom Wunschbaum?

Antwort: In vielen Fällen gibt es Freudentränen. Oft werden die Pakete auch unter den Weihnachtsbaum gelegt und erst am 24. Dezember geöffnet. Viele Empfänger kommen im Januar noch einmal bei uns vorbei, um sich zu bedanken und ihre Freude darüber zum Ausdruck zu bringen, dass fremde Menschen an sie gedacht und sie im Blick gehabt haben.


Dieser Text erschien am 23. November 2013 in der Neuen Ruhr Zeitung

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