Rot-Grün steht seit Mitte der 1980er Jahre für eine Koalition von SPD und Grünen. Doch Rot-Grün ist eigentlich schon viel älter. Gemeinsam die Natur entdecken, genießen und schützen. Diese gute Idee brachten 1895 Wiener Sozialdemokraten gemeinsam auf den Weg und wurden so zu Naturfreunden. 1905 kam diese Idee einer sozialökologischen Wandervogelbewegung nach Deutschland und 1923 auch in Mülheim an.
Urlaub war vor 100 Jahren noch ein Fremdwort. Großbürgerliche Familien gönnten sich damals bestenfalls eine Sommerfrische an der See oder in den Bergen. Doch für den großen Rest der Bevölkerung musste es eine bis zwei Nummern kleiner gehen. Hier setzten vor 100 Jahren, im Jahr der Hyperinflation und der Ruhrbesetzung, die Naturfreunde an.
Gemeinsam wandern, aber auch diskutieren und feiern. Das kam gut an, an der Ruhr und führte Ende der 1920er Jahr dazu, dass die Naturfreunde aus Essen und Mülheim sich am Böllrodt in Raadt ein Haus im Grünen an der Ruhr bauten. Die damals noch wesentlich knappere Freizeit, gemeinsam, daheim und unterwegs zu gestalten, um sich damit mit Leib und Seele fürs Leben zu stärken, wurde zum Markenkern der Naturfreunde. Dass Solidarität mit Mensch und Natur zwei Seiten derselben Medaille sind, erkannten die Naturfreunde schon, als Umweltschutz und sanfter Tourismus in Deutschland noch unebekannt waren.
Als Teil der Sozialdemokratie verloren die Naturfreunde nach 1933 nicht nur ihr Haus im Ruhrtal an die Nationalsozialisten. Die ließen es 1945 verwüstet zurück. Dem Wiederaufbau durch die Naturfreunde folgte eine, durch das westdeutsche Wirtschaftswunder beförderte Blütezeit. Doch mit dem steigenden Wohlstand wurden die Deutschen zu Reiseweltmeistern, die es in die Ferne zog.
Vor dem Hintergrund dieses sozialen Wandels ist auch die Nutzung des inzwischen in die Jahre gekommenen Ruhrtalhauses der Naturfreunde zurückgegangen. Zuletzt öffneten die Essener und Mülheimer Naturfreunde im August 2022 ihr Haus im Grünen mit einem Sommerfest für die interessierte Öffentlichkeit, die sich durch das Haus am Böllrodt führen ließ.
Inzwischen ist das Haus vom Landesverband der landesweit 40000 Naturfreunde übernommen worden. Die Naturfreunde, die bundesweit 400 Gästehäuser betreibt, sucht inzwischen Kooperationspartner oder nötigenfalls auch Käufer, die den Erhalt und den Weiterbetrieb im Sinne der sozialökologischen Grundausrichtung der Naturfreunde, deren Logo einen grünweißen Handschlag vor roten Alpenrosen zeigt, zu ermöglichen.
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