Mittwoch, 24. August 2016

„Wir gehören hier dazu“: Wer mit den Mülheimer Tafel-Fahrern Bashan Chaban und Frandy Dams unterwegs ist, um Lebensmittelspenden einzusammeln merkt, dass Arbeit mehr ist, als Geld verdienen


Die Tafel-Fahrer Bashan Chaban und Frandy Dams an der
Laderampe eines Mülheimer Supermarktes

Bevor sein Kollege Frandy Dams, kommt, sorgt Fahrer Bashan Chaban dafür, dass der Ford-Transit glänzt, mit dem sie gleich durch Mülheim und Kettwig kurven, um Lebensmittel für die Mülheimer Tafel des Diakoniewerkes Arbeit und Kultur Lebensmittel abzuholen.

Der 46-jährige Familienvater, der in den 90er Jahren vor dem Bürgerkrieg in seiner Heimat Libanon floh und in Mülheim Zuflucht fand, macht einen zufriedenen Eindruck. Seine freundlichen Augen lächeln den dritten Mitfahrer an, der ihn und seinen Co-Piloten bei ihrer handfesten Arbeit im Dienste der bedürftigen Tafelkunden begleitet.

Chaban und Dams sind zwei handfeste Typen, denen ihre Arbeit offensichtlich Freude macht. Mit ihrem Lieferwagen, der knapp drei Tonnen Lebensmittel laden kann, werden sie heute zwischen 7.30 Uhr und 13 Uhr zwei große Runden durch die Stadt machen und bei etwa 20 Geschäften, Supermärkten, Discountern und zwei Großmärkten Halt machen.

Immer wieder das selbe Spiel: Raus aus dem Wagen. Ran an die Rampe. Und dann erst mal aussortieren, was für die Kunden der Tafel noch genießbar ist. Die ersten von ihnen haben sich schon in den frühen Morgenstunden an der Georgstraße eingefunden, noch bevor Chaban und Dams zu ihrer Markttournee aufbrechen.

Wer den beiden Tafel-Mitarbeitern bei ihrer Arbeit zuschaut, merkt: Allein das Aussortieren und Einladen der gespendeten Lebensmittel ist nicht vergnügungssteuerpflichtig. Quantität und Qualität sind sehr unterschiedlich. Es gibt viel Obst und Gemüse, dass abgegeben wird. Alles andere ist Glückssache und eine Seltenheit: Fleisch, Wurst, Backwaren, Milchprodukte oder Süßigkeiten. „Ich finde es toll, dass Geschäfte und Supermärkte Lebensmittel für Bedürftige spenden. Aber die Supermärkte könnten vielleicht noch etwas mehr machen“, findet Chaban.

„Ich unterstütze gerne die Tafel, weil ich weiß, dass dort Menschen hinkommen, die mit den Lebensmitteln, die wir, etwa aufgrund einer Druckstelle, nicht mehr verkaufen können, noch etwas anfangen können“, erklärt Obst- und Gemüsehändler Klaus Buers, der gute Ware abgibt, die er vielleicht auch noch zum halben Preis verkaufen könnte. Doch das ist schwierig. Denn die Kaufkundschaft ist anspruchsvoll.

Diese Ansprüche können sich die Frauen, Männer, Rentner und Kinder, die gegen 11 Uhr beim Diakoniewerk an der Georgstraße schon in einer langen Schlange stehen, nicht leisten. Sie müssen nehmen, was kommt und was Bashan Chaban und Frandy Dams schon nach ihrer ersten Runde in der Kranhalle ausladen. Nach einem schnellen Kaffee geht es in die zweite Halbzeit ihrer Arbeitsschicht. „Wir sind froh, dass wir beim Diakoniewerk arbeiten können. Wir gehören dazu und müssen nicht zuhause rumsitzen“, sind sich Bashan und der 55-jährige Frandy einig. Und sie fügen hinzu: „Dann würden wir sicher kaputtgehen.“

Das Loblied auf ihre Arbeit überrascht umso mehr, als sie nur mit dem Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde bezahlt und nur befristet vergeben werden kann. Denn das Diakoniewerk ist auf öffentliche Fördermittel und Förderprogramme angewiesen. „Die Politiker müssten mehr machen, um Arbeit für die Menschen zu schaffen. Wenn zum Beispiel beim Berliner Großflughafen Millionen in den Sand gesetzt werden können, müsste doch für sinnvolle Arbeit Geld vorhanden sein“, meint Bashan Chaban. Und der Fahrer, der inzwischen 7 seiner auf 36 Monate befristeten Arbeitsgelegenheit hinter sich hat, fügt noch hinzu: „Ich weiß nicht, wie viele Familien von dem Geld leben könnten, dass für eine Rakete ausgegeben wird, die man jetzt in Syrien verschießt.“

Chaban, der in seiner Heimat Libanon unter anderem als Elektriker gearbeitet hat, weiß, was Bomben und Raketen anrichten können. Der Mann hat viele Kriegstote gesehen und viele Verletzte und Sterbende schreien gehört, ohne ihnen helfen zu können. Das verfolgt ihn bis heute und hat ihn gezeichnet.

Doch er macht weiter, obwohl er trotz Umschulung und verschiedener technischer Hilfstätigkeiten bisher keinen Job im ersten Arbeitsmarkt finden konnte. „Sie sind zu alt“, hörte der 46-Jährige bei seinem letzten Vorstellungsgespräch.

Auch sein 55-jähriger Kollege Frandy Dams, dem inzwischen Diabetes und eine Verletzung des rechten Arms das Leben schwer machen, hat mit dem ersten Arbeitsleben abgeschlossen. Früher hat der Ungelernte als Hausmeister und später als technischer Helfer eines Schaustellers gearbeitet. Aber irgendwann machte die Gesundheit nicht mehr mit. Frandy musste zur Mülheimer Tafel gehen und fand dort eine Arbeitsstelle. Inzwischen ist sein Arbeitsvertrag ausgelaufen. Weil er nicht untätig sein möchte, leistet er diese Arbeit jetzt, zweimal pro Woche ehrenamtlich. Als Lohn nimmt er eine gut gefüllte Lebensmitteltüte von der Tafel mit nach Hause.

Ein sozialer Arbeitsmarkt könnte nicht nur ihm helfen.


Dieser Text erschien am 20. August 2016 in der Neuen Ruhr Zeitung

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