Mittwoch, 10. August 2016

Meisterwerk der Baukunst und Tribut an die Motorisierungswelle: Vor 50 Jahren wurde die Mintarder Ruhrtalbrücke feriggestellt

Ein Blick auf die Ruhrtalbrücke
Wer heute mit dem Auto zwischen Essen und Düsseldorf pendeln will oder muss, der fährt über die A52 und damit auch über 28 Meter breite und 65 Meter hohe Ruhrtalbrücke. Laut Straßen NRW nutzen heute täglich rund 80 000 Kraftfahrer die 1830 Meter lange und auf 18 Pfeilern ruhende Brücke über dem Mülheimer Ruhrtal zwischen Ickten und dem Saarner Auberg.

Als die Brücke vor 50 Jahren für den Verkehr freigegeben wurde, waren es gerade mal 20 000 Fahrzeuge pro Tag.  Doch schon diese Auto-Zahl war für die damals vom Durchgangsverkehr belastete Mendener Brücke und die ebenfalls stark belastete Kölner Straße viel zu viel. Deshalb berichtete die NRZ bereits 1959 erstmals über Pläne einer Autobahnbrücke über das Mintarder Ruhrtal. Von „einem Tribut an die Motorisierungswelle.“ Erste Spekulationen, ob die vom Landschaftsverband Rheinland in Auftrag gegebene Brücke auch für Fahrradfahrer und Fußgänger passierbar sein werde, wurden schon bald von der automobilisierten Wirklichkeit im damals noch fast vollbeschäftigten Ruhrgebiet überholt.
Wie groß die Motorisierungswelle war, die ab 1963 zum Ausbau der damaligen Bundestraße 288 und in diesem Rahmen zum Bau der Ruhrtalbrücke führte, kann man erahnen, wenn man in Franz Rolf Krapps Buch über Mülheim nach 1945 nachliest, dass die Mülheimer Autodichte in den ersten drei Nachkriegsjahrzehnten um 800 Prozent angestiegen sei.

In der Rückschau auf das Mamutprojekt, das am Ende insgesamt 100 Millionen Mark, davon allein 40 Millionen Mark für den reinen Brückenbau verschlang, ertaunt der offensichtlich breite öffentliche Konsens, der damals mit Blick auf den Ausbau der B288 herrschte. Protest gegen das Projekt gab es damals nur von Landwirten, die dem Brückenbau Teile ihrer Felder opfern mussten und eine Beeinträchtigung ihrer Landwirtschaft befürchteten. „Auf den Feldern unter der Mintarder Ruhrtalbrücke wächst Getreide und ich kann ganz normal mein Heu machen, das hier genauso gut trocknet, wie an anderen Stellen. Nur der Schattenschlag ist manchmal gewöhnungsbedürftig“, beschreibt der orstansässige Landwirt Karl-Heinz Appeltrath (75) den Ist-Zustand unter der Brücke.

Auch Brücken-Anwohner Peter Loef, selbst Ingenieur, bewundert „die schlanke und filigran gebaute Ruhrtalbrücke als eine Pionierleistung der Baukunst, die am in der dunkelroten Abendsonne am schönsten wirkt.“ Auch der Maler Gerhard Richter hat sich von der Ruhrtalbrücke inspirieren lassen, die er 1969 in einem fotorealistischen Gemälde verewigt hat. Profane Probleme mit dem Verkehrslärm hat der politisch bei den Grünen aktive Loef nur dann, wenn die Fahrbahnregennass ist und der Wind aus nordwestlicher Richtung weht. Ein Tempolimit auf der Ruhrtalbrücke fände Loef aber gut. „Ich war damals etwa zehn Jahr alt und habe die Bauarbeiten als ein riesiges Abeneteur erlebt“, erinnert sich Loef.

Dass die Bauarbeiten, bei denen unter anderem 17 000 Kubikmeter Stahlbeton und 133 000 Tonnen Stahl verarbeitet wurden kein Abenteuer, sondern eine zum Teil lebensgefährliche Kraftanstrengung war, machen die drei Arbeiter Hans Bovermann (damals 32), Harry Ostrowsky (damals 44) und Victor Jacina (damals 55), die den Bau der Ruhrtalbrücke mit ihrem Leben bezahlten. Leider wurde die Ruhrtalbrücke in den Jahrzehnten nach ihrer Freigabe auch zum Ort von Selbstmorden. Und in den 90er Jahren spielte sich in ihren inneren Hohlräumen sogar eine Geiselnahme ab.

Dieser Text erschien am 9. August 2016 in der Neuen Ruhr Zeitung

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