Mittwoch, 5. Mai 2010

Eine öffentliche Podiumsdiskussion der Bürgerstiftung zeigte: Man muss kein Held sein, um Zivilcourage zu beweisen

Eine Frau berichtet von einer S-Bahn-Fahrt, bei der sie unvermittelt Zeugin eines verbalen Streits zwischen zwei Männern wurde, der plötzlich gewaltsam zu eskalieren drohte. Sie schritt ein, indem sie den Aggressor auf die Schulter klopfte und ihm zu verstehen gab: "Hören Sie auf damit." Der Mann war so erstaunt über den unerwarteten Einsatz der couragierten Frau, dass er sofort von seinem Opfer abließ.Ein Mann berichtet, wie er in Anwesenheit seiner Frau in der Stadtmitte und am helligten Tag von einem betrunkenen Mann attackiert wurde und nur deshalb mit dem Schrecken davon kam, weil ihm zwei Mitbürger halfen und seine Frau ein Handy dabei hatte, mit dem sie die Polizei herbeirufen konnte. Die zwei Geschichten aus dem Publikum zeigten bei der Diskussionsveranstaltung "Gewalt vor meinen Augen - Was tun?", zu der die Bürgerstiftung ins Medienhaus eingeladen hatte: Jeder kann von jetzt auf gleich zum Opfer oder zum Zeugen einer Straftat werden.

Der Vorsitzende der Bürgerstiftung, Hans-Christoph von Rohr, wünschte sich von den Podiumsteilnehmern der von Martin von Mauschwitz souverän moderierten Diskussion eine "Erste Hilfe" für den Ernstfall der Zivilcourage. Doch Kriminalhauptkommissar Jürgen Probst, Rechtsanwältin Birgit Hülsdünker und Psychiater Eugen Davids gaben sich zurückhaltend, wenn es darum ging vermeintlich gute Ratschhläge zu geben.Stattdessen rieten sie ihrem Publikum, sich mit ihrem eigenen Persönlichkeits- und Angstprofil auseinanderzusetzen und im Ernstfall und im Zweifel lieber auf Distanz zu gehen als den Helden zu spielen und sich damit in Gefahr zu bringen. Kann man denn gar nichts tun? Doch!

"Den Polizei-Notruf 110 zu wählen sollte für Sie im Ernstfalle keine Hemmschwelle sein", war der wichtigste Tipp, den Kriminalhauptkommissar Probst gab, der in Zusammenarbeit mit Vereinen, Gemeinden, Verbänden und anderen Institutionen Sicherheitskurse für Bürger anbietet. Ausdrücklich warnte er vor dem Einsatz von Pfeffersprays und Elektroschockern und riet, lieber auf das eigene Gefühl zu hören und zu erkennen, an welchen Orten man sich unsicher fühle.Psychiater Davids und die auch als streitschlichtende Mediatorin arbeitende Juristin Hülsdünker waren sich einig in ihrem Plädoyer für die Anwendung von Deeskaltionsstrategien. Einen Täter zu dutzen oder mit den Augen zu fixieren könne im Ernstfall einen Konflikt eskalieren lassen.

Hülsdünker machte aber auch klar, dass Helfer juristisch und finanziell durch den Gesetzgeber abgesichert seien, wenn ihr Einsatz verhältnismäßig bleibe. Auch der Vorwurf der "unterlassene Hilfeleistung" könne nur erhoben werden, wenn Zeugen einer Straftat das ihnen in dieser Situation Zumutbare nicht täten. Und wie wird ein Täter zum Täter? Ein Mix aus fehlender Erziehung, belastenden Lebenssituationen und unbehandelten psychischen Störungen können aus der Sicht des Psychiaters Davids impulsive und aggressive Menschen zu Tätern machen.

Dieser Text erschien am 30. April 2010 in der NRZ

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