Mittwoch, 10. August 2011

60 Jahre nach ihrem Abitur am städtischen Gymnasium trafen sich sechs ehemalige Klassenkameraden am der heutigen Karl-Ziegler-Schule wieder



Joseph Otterbeck, Karl-Heinz Memmel, Heinz Wilhelm Auberg, Ulrich Grabowski, Hans Bernskötter und Friedrich Heierhoff besuchen an diesem Tag ihre alte Schule, an der sie vor 60 Jahren mit dem Zeugnis der Reife in den Ernst des Lebens entlassen worden sind. Damals war es das städtische Gymnasium, heute die Karl-Ziegler-Schule.Nicht wieder zu erkennenDie alten Herren aus den Jahrgängen 1930 und 1931 erkennen nichts wieder.






Denn ihre alte Schule wurde in den 70er Jahren durch einen Neubau ersetzt, der inzwischen um- und ausgebaut wird, um für die Anforderungen einer modernen Ganztagsschule fit gemacht zu werden. Was sie besonders beeindruckt, ist die technische Ausstattung der neuen naturwissenschaftlichen Fachräume und das breite Fremdsprachenangebot. Spanisch stand bei ihnen damals nicht auf dem Stundenplan. Und Französisch konnte man nur in einer freiwilligen Arbeitsgemeinschaft lernen.Dafür gab es jeweils acht Wochenstunden Latein und Mathematik, drei Wochenstunden Englisch und sechs Wochenstunden Deutsch.






„Wir mussten viel mitschreiben, weil die alten Schulbücher aus der Nazi-Zeit aus dem Verkehr gezogen worden waren“, erinnert sich Auberg.Die ersten Romane nach dem Krieg lasen sie auf Zeitungspapier. Die gab es für 50 Pfennig das Exemplar. „Manchmal haben wir auch auf den weißen Streifen der Tageszeitungen geschrieben, weil das Papier so knapp war“, erinnert sich der vom Bodensee zum Ehemaligentreffen angereiste Karl Heinz Memmel an seine ersten Nachkriegsschuljahre.Damals brachten seine Kollegen und er nicht nur einen Ranzen, sondern auch einen Henkelmann mit zur Schule.






In den wurde während der Pause die Schulspeisung aus Schweden und USA eingeschenkt. Mal gab es Erbsen- mal Biskuitsuppe, mal Haferflocken, mal Kartoffelpüree und manchmal auch ein Maisbrot. „Das Maisbrot schmeckte scheußlich“, erinnert sich Hans Bernskötter, der aus Hamburg gekommen ist, um seine alten Schulkameraden wiederzusehen.WechselschichtWeil die Schulgebäude noch kriegsbeschädigt waren, mussten sich die Schüler des staatlichen und des städtischen Gymnasiums das Schulgebäude an der Schulstraße bis 1947 teilen. Deshalb wurde in Wechselschichten gelernt, mal morgens, mal mittags.An den Unterricht, der damals noch frontal vom Katheder aus erteilt wurde, erinnern sie sich als „streng und diszipliniert.“






Besonders dankbar denken sie an ihren Mathematik und Mechaniklehrer Paul Voigt zurück, der ihnen das kleine Einmaleins des wissenschaftlichen Arbeitens beigebracht hat und dessen Einfluss es zu verdanken gewesen sei, dass dieser Abiturjahrgang des als naturwissenschaftlich geltenden Gymnasiums besonders viele Ingenieure hervorgebracht habe, unter ihnen Auberg, Memmel, Grabowski und den Physiker Otterbeck, während Bernsksötter und Heierhoff als Betriebswirte, Unternehmensberater und Juristen einen anderen Berufsweg einschlugen.Mensch und LehrerGerne erinnern sich die alten Abiturienten auch an ihren Deutschlehrer Walter Engels, der sie mit Thomas Mann und Franz Kafka bekannt machte und der bei den insgesamt 21 Abiturienten des Abiturjahrganges 1951 deshalb so beliebt war, „weil er zuhören, auf uns eingehen konnte und Menschlichkeit ausstrahlte.“ Der Geschichtsunterricht, so erinnert sich Auberg, „hörte damals bei Bismarck auf.“ Die Weltkriege und die Nazi-Zeit waren kein Thema.






Bernskötter erinnert sich aber an einen Englischlehrer, der in Großbritannien studiert hatte und den Schülern abseits des Lehrplans über die englische Demokratie und ihre historische Wurzeln berichtete. „Wir verließen die Schule mit einem guten Gefühl und dem festen Entschluss zu studieren , auch wenn einige vorher noch eine Ausbildung gemacht haben“, erinnert sich Otterbeck an die gemeinsame Schulentlassung. Über die berichtete damals auch die Lokalpresse und zitierte den Klassenlehrer des Abiturjahrgangs mit den an seine Schüler gerichteten Worten: „Werden Sie eine Persönlichkeit. Es kommt nicht darauf an, welchen Beruf Sie ergreifen, sondern wie Sie ihn ausüben.“






Dieser Text erschien am 28. Juli 2011 in NRZ und WAZ

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