Montag, 28. November 2011

Ein Streifzug durch ein dunkles Kapitel der Mülheimer Straßennamen

Nomen est omen. Das gilt auch für die Straßennamen unserer Stadt. Zum 9. November, dem Jahrestag der Reichspogromnacht, machte ich mich für die NRZ auf die Spurensuche nach Mülheimer Straßennamen in der NS-Zeit. Wussten Sie, dass die Friedrichstraße während des Dritten Reiches Adolf-Hitler-Straße hieß und der Kaiserplatz der Platz der SA war. Die Heißener Straße hieß Horst-Wessel-Straße. Die Mendener Brücke trug den Namen Hermann Görings. Und die Schulstraße war nach dem deutschnationalen Verleger und Parteiführer Alfred Hugenberg benannt.

Es überraschte mich, im Stadtarchiv herauszufinden, dass die Stadtverwaltung im Mai 1945, auf Befehl der alliierten Militärregierung 17 Straßen umbenennen musste, die nach Nazi-Größen benannt worden waren. Nachdem die Nazis ihre Macht gefestigt hatten, hatten sie ab Mitte der 30er Jahre offensichtlich mit Erfolg die Vordenker und Wegbereiter ihrer Ideologie im Straßenbild und damit im öffentlichen Bewusstsein der Bürger zu verankern.

Es gab aber auch strittige Straßennamen, die das Kriegsende überstanden. Dazu gehörte unter anderem die Hindenburgstraße, die erst 1949, auf Anordnung der Alliierten, umbenannt werden musste und seitdem den Namen des ersten sozialdemokratischen Reichspräsidenten Friedrich Ebert trägt. Die Hindenburgstraße, die die alten Mülheimer vor 1916 als Froschenteich und als Notweg gekannt hatte, war ein Sonderfall. Im Ersten Weltkrieg widmete die Stadt dem "Helden von Tannenberg" eine ihrer zentralen Straßen, weil Hindenburg als General 1914 Ostpreußen von den Russen befreit hatte. Erst später wurde Hindenburg als Reichspräsident, der Hitler zum Reichskanzler ernannte, zu einem der Totengräber der Weimarer Republik.

Noch wesentlich länger überdauerten allerdings die nach dem deutschen Kolonialisten Carl Peters benannte Straße in Eppinghofen und eine Straße sowie ein Platz in Oberdümpten, die noch bis Mitte der 90er Jahre den Namen des antisemitischen Hofpredigers Adolf Stöcker trugen. Heute tragen diese Straßen und Plätze die Namen der sozialdemokratischen Verfassungsmutter und Juristin Elisabeth Selbert sowie der von den Nazis 1945 ermordeten Anne Frank, die mit ihrem Tagebuch ein unvergängliches und bestürzendes Zeitdokument für die Verbrechen des Holocaust hinterlassen hat.

Ebenfalls erst Mitte der 90er Jahre fasste der Rat der Stadt einen offiziellen Beschluss, der Hitler und Hindenburg die 1933 verliehene Ehrenbürgerschaft der Stadt aberkannte. Zuvor hatte die Stadt argumentiert, die Ehrenbürgerschaften seien mit dem Tode Hitlers und Hindenburgs automatisch erloschen. Nach Auskunft des Verbandes der Verfolgten des Nazi-Regimes (VVN) stand die Aberkennung der umstrittenen Ehrenbürgerschaften aus der NS-Zeit bereits 1946 und 1985 Thema im Stadtparlament, war aber nie abschließend beschlossen wurde.

Bis heute gibt es in Mülheim Straßennamen, an denen sich die Geister scheiden. Das bekannteste Beispiel ist die 1967 nach Fritz Thyssen benannte Straße in Dümpten. Thyssen, der einst von sich sagte: "I paid Hitler/Ich bezahlte Hitler" wandelte sich immerhin noch während der Nazi-Zeit vom Förderer zum Gegner Hitlers und wurde so selbst zum Verfolgten. Die Debatte über diesen Straßennamen ist sicher noch nicht abgeschlossen.

Ein ausführlicher Beitrag zu diesem Thema erschien in der NRZ vom 9. November 2011

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