Sonntag, 7. Dezember 2025

Vielfalt macht stark

 Ein schwarzer Rassismusforscher und Diversitätsberater spricht über Diskriminierung. Das könnte ein hartes Schwarzbrot werden, vor allem für die weißen Männer im Publikum, wird es aber nicht. Wird es aber nicht, weil Prof. Dr. Lorenz Narku-Laing sein Publikum beim Jahresempfang der christlichen Stadtkirchen im Altenhof zum Lachen bringt.

Indem der Sozialwissenschaftler seinen eigenen Diskriminierungserfahrungen anekdotisch berichtet, führt er seinem Auditorium selbsterklärend vor Augen, warum Rassismus und Diskriminierung dumm, kontraproduktiv und christlich betrachtet eine Gotteslästerung ist.

Der 33-jährige Hochschullehrer und Familienvater berichtet, wie er als kleiner schwarzer Junge aus Rheinhessen von einem alten weißen Mann dafür gelobt wurde, "dass er als Ausländer so gut Deutsch" spreche. Er erinnert sich an seine Wohnungssuche, die erst erfolgreich war, als er sich nicht als Herr Narku-Laing, sondern als Herr Lorenz um das gewünschte Mietobjekt bewarb.

Der an der Evangelischen Fachhochschule in Bochum lehrende und als Diversitätsberater arbeitende Narku-Laing gibt sein entlarvendes Gespräch mit einem Rassisten wider.

"Die liegen uns nur auf der Tasche...Aber ich arbeite und zahle Steuern...Umso schlimmer, die nehmen uns die Arbeit weg...Die bleiben nur unter sich und integrieren sich nicht...Aber ich bin doch mit einer weißen deutschen Frau verheiratet...Umso schlimmer, die nehmen uns die Frauen weg!"

Das Vielfalt heute die soziale Realität in der bunten Bundesrepublik Deutschland ist, in deren Mülheimer Mikrokosmos Menschen aus mehr als 140 Nationen zusammenleben, macht Narku-Laing an einigen Zahlen deutlich. Zehn Prozent der Deutschen haben eine Behinderung, elf Prozent sind Muslime, 46 Prozent der deutschen Grundschüler haben einen Migrationshintergrund und 56 Prozent der deutschen Studienanfänger sind weiblich.

Mit Blick auf die Renten- und Pflegediskussion sagt der Mittdreißiger: "Ich zahle gerne Steuern und Sozialabgaben. Aber meine Generation ist zu klein, um unsere sozialen Sicherungssysteme alleine zu finanzieren. Deshalb brauchen wir als alternde Gesellschaft Zuwanderung."

Vor seinem Vortrag bekennt Superintendent Michael Manz. Ich habe Lorenz Narku-Laing, der als nichtheologisches Mitglied der rheinischen Landeskirchenleitung kennen gelernt und war so begeistert, dass ich ihn sofort zu uns eingeladen habe." Nach seinem Vortrag zeigt der euphorische Applaus und viele positive Kommentare, dass Lorenz Narku-Laing auch sein Publikum im Altenhof begeistert hat.


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Freitag, 5. Dezember 2025

Geschichtsunterricht, mal anders

Jugendliche interessieren sich für Geschichte und können sie klug hinterfragen, wenn man sie Ihnen anschaulich vor Augen führt. Genau das gelang der Berliner Politikwissenschaftlerin und Autorin Karin Himmler, als sie jetzt 150 Zehntklässlern der Otto-Pankok-Schule ihre Familiengeschichte erzählte. 

Die hat es in sich. Man ahnt es schon, wenn man ihren Nachnamen hört. Karin Himmler ist die Großnichte des Reichsführers SS, Heinrich Himmler, der als Chef der Deutschen Polizei ab 1936 auch für die Geheime Staatspolizei und die Durchführung des Holocaust verantwortlich war. Im Gespräch mit den Schülerinnen und Schülern zeigt sie exemplarisch, wie unterschiedlich die Konsequenzen waren, die die Deutschen nach dem Ende der NS-Diktatur und des Holocaust aus den daraus resultierenden Erkenntnissen gezogen wurden. Schweigen, verdrängen, aufarbeiten, schönreden, glorifizieren.

So berichtet Himmler nicht nur über ihre Eltern, die sich nach 1945 vom Nationalsozialismus distanzierten und zu einer demokratischen Grundhaltung fanden, aber auch von einer Tante, die ihren Vater Heinrich Himmler bis zu Ihrem Tod (2018) verteidigte und ihre Kinder auf der Basis ihrer rechtsextremen Weltanschauung erzog.

Warum Sie ihren Familiennamen nicht abgelegt habe, will eine Schülerin wissen? Die 1967 geborene Karin Himmler, die 1979 unter dem Eindruck der Fernsehserie "Holocaust" begann das Thema Nationalsozialismus im Allgemeinen und ihre Familiengeschichte im Besonderen aufzuarbeiten und 2005 das Buch: "Die Brüder Himmler" herausgegeben hat, erklärt, dass sie ihren Familiennamen als Auftrag begreift, für die Demokratie einzutreten und über den Nationalsozialismus und seine aktuellen rechtsextremen Erben aufzuklären.

Auch wenn sie nicht verraten will, welcher politischen Partei sie nahesteht, ermutigt sie die Jugendlichen zum politischen Engagement für unsere Demokratie und lässt keinen Zweifel daran, dass sie die AFD für eine gefährliche Gegnerin unserer liberalen Nachkriegsdemokratie hält. 

Die aus den Reihen der AFD zu hörende Forderung nach einer "erinnerungspolitischen Wende um 180 Grad" und die Charakterisierung des Nationalsozialismus als "einem Vogelschiss der deutschen Geschichte"  zeigen ihr, wes rechtsextremen Geistes diese Partei ist.


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Mittwoch, 19. November 2025

Schwerer Anfang

Kommunalpolitik ist heute in Zeiten knapper Kassen nicht vergnügungssteuerpflichtig. Doch vor 80 Jahren hätte man die Probleme von heute gerne gehabt. Wenige Monate nach dem Kriegsende war Mülheim eine Trümmerstadt, in der gehungert wurde und viele Menschen in den Ruinen und Kellern ihrer zerbombten Häuser überleben mussten.

Die letzte Mülheimer Kommunalwahl lag schon zwölf Jahre zurück und die erste Kommunalwahl der Nachkriegszeit sollte noch mehr als ein Jahr auf sich warten lassen, als zwölf Männer am 3. August 1945 im Trausaal des kriegsbeschädigten Rathauses unter dem Vorsitz des damaligen Oberbürgermeisters Werner Hoosmann als Bürgerausschuss zusammentraten. Sie waren nicht gewählt, sondern als Mitglieder einer beratenden Versammlung von der britischen Militärregierung ernannt. Sie hat im Juni 1945 als Besatzungsmacht in Mülheim die Amerikaner abgelöst. In einer Stadt, in der es schlicht ums Überleben ging, in der gehungert und gefroren, getrauert, improvisiert, organisiert und instandgesetzt wurde, brauchte die britische Stadtkommandantur, die sich in einer Stinnes-Villa an der Bismarckstraße einquartiert hatte, politisch unbelastete und zuverlässige Vertreter der Mülheimer Stadtgesellschaft, die ihre Planungen und Entscheidungen unterstützen und der Bevölkerung vermitteln konnte. 

Diese Menschen nach zwölf Jahren Nationalsozialismus in Mülheim zu finden, war gar nicht so einfach. Unter den zwölf Mitgliedern des Bürgerausschusses, die von niemanden um ihre Aufgabe beneidet wurden, waren Persönlichkeiten, wie die künftigen Oberbürgermeister Wilhelm Diederichs und Heinrich Thöne, der erste Mülheimer Lokalchef der Neuen Ruhrzeitung und Bundestagsabgeordnete Otto Striebeck, der erste Kreisvorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Heinrich Melzer, sowie die künftigen Stadträte und Bürgermeister Max Kölges und Wilhelm Dörnhaus, die in den folgenden Jahrzehnten des materiellen und moralischen Wiederaufbaus die Mülheimer Kommunalpolitik und damit den Übergang von der NS-Diktatur zur westdeutschen Nachkriegsdemokratie verkörpern und  gestalten sollten. Damit setzten sie das ins Werk, was sich die britische Militärregierung 1945 als Reeducation auf ihre Fahnen geschrieben hatte. Zwei von ihnen, Max Kölges und Heinrich Thöne, sollten Anfang der 1960er Jahre für ihr Lebenswerk im Zeichen des Mülheimer Wiederaufbaus zu Ehrenbürgern der Stadt ernannt werden. 

Freitag, 14. November 2025

Närrischer November

 Ist denn schon wieder Karneval? Wer so fragt, zeigt, dass er den Karneval nicht kennt. Denn natürlich starten die Jecken am Elften im Elften in die Fünfte Jahreszeit. Die ELF ist den Narren heilig, weil sie zwischen den zehn Geboten und den zwölf Aposteln für die Narrenfreiheit steht. Und nach der Französischen Revolution von 1789 war die ELF für die Narren die Abkürzung für die Losung. "Gleichheit, Freiheit, Brüderlichkeit!" Französisch: Fraternité, Liberté, Egalitè".

Auch in Mülheim an der Ruhr, in dem die historischen Ursprünge in den Fastnachtsspielen des Zisterzienserinnenklosters Saarn (1214-1808) zu finden sind, sind die Karnevalisten am Elften im Elften in die neue Session gestartet. Dabei wird das närrische Volk erstmals von einem Stadtprinzen angeführt, dessen Wiege in der Hauptstadt Uruguays, Montevideo, stand.

Mit der Prinzenproklamation, die diesmal im Autohaus Lueg an der Weseler Straße über die Bühne ging, ist aus dem 42-jährigen Betriebswirt Luca Leonardo Lungo Luperta Prinz Lucas Leonardo I. geworden. Wenn es nach seiner Tollität geht, soll es im Rat der Stadt bis zum Aschermittwoch keinen Parteienstreit, sondern nur sachorientierte Politik mit einem Schuss Selbstironie geben. So hat er es in seinem närrischen Regierungspogramm verkündet, das unter dem Sessionsmotto steht: "Dein Status ist uns ganz egal. Wir feiern mit dir Karneval!"

"Schon mein Großvater hat in Monevideo eine Karnevalsgesellschaft gegründet. Der Karneval wird in Uruguay, so wie in Brasilien vor allem mit Tanzen und Trommeln gefeiert", berichtet Prinz Lucas Leonardo I., der aus den Reihen der Jubiläumsgesellschaft MüKaGe kommt, beruflich für das Tanzhaus NRW tätig ist und seit 2017 in Deutschland lebt. Besonders freut sich der mölmsche Karnevalsprinz aus Lateinamerika, dass  er seine Proklamation mit seiner Mutter Heriberta feiern konnte, die zu diesem Anlass aus Montevideo angereist war. Zu den ersten Amtshandlungen des neuen Stadtprinzen gehören die Aufstellung des Narrenbaums am Kurt-Schumacher-Platz und der närrische Ritterschlag für seinen verdienten MüKaGe-Karnevalsfreund Detlef Klapper, der seit 47 Jahren im Mülheimer  Karneval aktiv ist und ihn als Prinzenführer durch die Session begleitet.


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Donnerstag, 13. November 2025

Bonhoeffer heute

 Beim Podiumsgespräch über den Theologen und Widerstandskämpfer Dietrich Bonhoeffer in der Essener Marktkirche erzählten Generalvikar Klaus Pfeffer, Journalist und Biograph Uwe Schulz und Superintendentin Marion Greve, wie der 1945 hingerichtete Christ sie persönlich prägte und eine  Inspiration für zeitgemäßes Christsein sein kann.


„Von guten Mächten wunderbar geborgen, erwarten wir getrost, was kommen mag!“, zitiert derVorstandsvorsitzende der Bank im Bistum Essen, Peter Güllmann, die wohl berühmtesten Zeilen Dietrich Bonhoeffers. Underklärt bei dem  Podiumsgespräch in der Marktkirche in Essen auch, was ihm dieses Glaubensbekenntnis des 1945 von den Nationalsozialisten ermordeten evangelischen Theologen heute sagt: „Weil wir als Christen Gott vertrauen, können wir auch dem Leben vertrauen und aus der Liebe zum Guten handeln. Deshalb brauchen wir keine Angst vor dem Leben haben und können mit Mut leben. Wir brauchen uns nicht zurückziehen. Wir können uns Menschen zuwenden. Wir können der Angst widerstehen, weil wir trotzdem hoffen dürfen und weil wir wissen, dass Kirche nur dann Kirche ist, wenn sie für andere da ist.“

„Diese Kirche ist für einen Abend über Dietrich Bonhoeffer ein guter Ort, weil sie vom Zweiten Weltkrieg verwundet worden ist und mitten im Leben steht,“ sagt  Theologe  Jens Oboth. Der Dozent der katholischen Akademie ‎“Die Wolfsburg“ moderiert in der Essener Marktkirche  das Podiumsgespräch mit Superintendentin Marion Greve, Generalvikar Klaus Pfeffer und Moderator Uwe Schulz über den Theologen, der auch 80 Jahre nach seinem Tod katholische und evangelische Christen miteinander verbindet.

Für Generalvikar Klaus Pfeffer haben die Worte Bonhoeffers seit seiner Ausbildung in der Klinikseelsorge in den 80er Jahren eine besondere Bedeutung. “Dort wurde ich  mit Tod und Leid und auch mit meiner eigenen Sterblichkeit konfrontiert. Seine Worte haben mich getroffen und nicht mehr losgelassen, weil sie nicht aus der Kirche, sondern aus dem Leben kommen und mir gezeigt haben, dass die Bibellektüre uns zeigen kann, wer Jesus Christus heute für uns und für mich ganz konkret sein kann.” Gerade in einer Zeit der Kirchenkrise machten Pfeffer  die Briefe Bonhoeffers  aus der Haft Mut undseien ein Trost, weil sie ihm zeigten, dass nicht alles von jedem  allein abhänge. Bonhoeffers Biografie und seine Erfahrungen als Studentenseelsorger in Berlin seien für  Pfeffer ein Beleg, „dass es die gute alte Kirche auch in den 1920er und 1930er Jahren nicht gegeben hat.“ Für den Essener Generalvikar ist Bonhoeffer auch heute noch  ein Vorbild, „weil auch er Ängste hatte, mit denen er sich auseinandergesetzt hat und dann ganz bewusst Risiken eingegangen und für christliche Werte eingetreten ist.“

Uwe Schulz, Hörfunk-Journalist und Bonhoeffer-Biograph, lernt den  Theologen, Widerstandskämpfer und Märtyrer  in einer existenziellen Lebenskrise mit Mitte 20 schätzen, vor allem als Seelsorger und redlichen theologischen Übersetzer des Alltags. „Er hat mir gezeigt: In der Bibel lesen heißt: Gott spricht mit dir. Mich beeindruckt,dass dieser Mann, der von den Nationalsozialisten existenziell zerstört worden ist, sich nicht hat zerstören lassen.“ Für ihn ist Bonhoeffer mit seinem Lebensbeispiel „so heilig, wie wir es als Gemeinschaft der Heiligen auch sein können.“ Denn, so fragt Schulz: „Was hindert uns daran, Gott in uns zu tragen und der Kirche eine individuelle Gestalt zu geben, in dem wir Hungrige sättigen, Trauernde trösten, Gefangene besuchen und Sünden vergeben und so Menschen von der Knechtschaft der Depression befreien.“ Er habe mit Bonhoeffer gelernt, Brücken über die Risse in seinem Leben zu bauen, weil er wisse: „ Egal, wie tief ich falle, kann ich immer mit der Gnade Gottes rechnen.“ Zu Gnade Gottes und der persönlichen Einsicht: „Gott hat auch Alice Weidel lieb“ gehört für Schulz aber auch die menschliche Bereitschaft zur Umkehr, deshalb betont er mit Blick auf Bonhoeffer: „Für eine Vereinnahmung durch den Trumpismus und Pseudo-Christen steht er nicht zur Verfügung.“

Für die Superintendentin des Evangelischen Kirchenkreises Essen, Marion Greve,  ist Bonhoeffer angesichts aktueller Sorgen in einer krisengeschüttelten Welt „ein Beispiel der Unerschrockenheit und der Lebenserfahrung, dass Kirche bei den Menschen sein muss.“ Er macht ihr Mut, „dass man auch hier und jetzt in unserer Ruhrgebietsgroßstadt mit allen ihren Problemen Christ sein und im sozialen Tun für Menschen da sein kann.“ Beeindruckend findet die Essener Superintendentin die Scharfsichtigkeit Bonhoeffers, der schon lange vor 1933 begriffen habe, „dass man nicht gleichzeitig Christ und Nationalsozialist sein kann.“ Insofern mahne Bonhoeffer alle Menschen,, zu einem verantwortungsvollen Umgang mit der Demokratie, der die andere Meinung auch mal stehen lassen könne und keine Angst vor Dialog und Kontroversen habe.“ Bonhoeffers Rat: „Lasst uns nicht mit Worten, sondern mit Taten lieben“, ist in ihren Augen eine zeitlose aktuelle Inspiration des Christseins.

Sonntag, 9. November 2025

Mülheim, ahoi

 Wenn wir heute an Schifffahrt auf der Ruhr denken, denken wir an die Weiße Flotte. Doch die fährt erst seit 1927 auf der Ruhr, zunächst mit sieben und heute noch mit vier Schiffen.

Doch ehe die Stadt und die Rheinisch-Westfälische Wasserwerksgesellschaft die Mülheimer Ruhrschifffahrtsgesellschaft gründeten und den Wasserbahnhof auf der Schleuseninsel errichteten gab es schon eine, allerdings gewerbliche, Schifffahrt auf der Ruhr. Seit dem Ende des 16. Jahrhunderts wurde vor allem Kohle über die Ruhr transportiert.  

Um 1770 wurde der Leinpfad an der Ruhr nicht als Spazierweg, sondern als Trampelpfad für die Pferde angelegt, mit denen man die Kohlenkähne (Ruhraaken) den Fluß aufwärts zogen. Dort, wo sich heute die Ruhranlagen erstrecken, passierten Mitte des 19. Jahrhunderts jährlich rund 5000 Schiffe mit rund 12 Millionen Zentnern Kohle den Fluss. Damals waren ein Viertel der erwerbstätigen Mülheimer mit der Mülheimer Ruhrschifffahrt beschäftigte.

Legendär war der Mülheimer Reeder und Bergwerksbesitzer Mathias Stinnes, unter dessen Flagge fast 70 Schiffe auf Ruhr und Rhein unterwegs waren. Auch Mitte des 19. Jahrhunderts gab es einen, allerdings nur kurzlebigen Versuch, neben der Transport- auch ein Ausflugsschifffahrt auf der Ruhr zu etablieren. 

Doch dafür war die Zeit noch nicht reif. Denn die alten Mölmschen verbanden mir der Ruhr Arbeit und Auskommen, aber keine Ausflüge und Freizeit. Erst als die Ruhrschifffahrt ab 1862 von der Eisenbahn abgehängt und die beiden Mülheimer Ruhrhäfen 1869 und 1880 zugeschüttet wurden, kamen Mülheims Bürgermeister Karl von Bock und der Verschönerungsverein, dort, wo bisher Werften und Kohlenmagazine gestanden hatten, die blühenden Landschaften der Ruhranlagen entstehen zu lassen. 

1927 sollte dann mit der Weißen Flotte auch der ab 1913 geplante und gebaute Rhein-Ruhr-Hafen mit seinem 12 Kilometer langen Schifffahrtskanal in Betrieb genommen werden. Mit einer eigenen Hafenbahn und einem jährlichen Umschlagsvolumen von mehr als einer Million Tonnen führt der 2,2 Quadratkilometer große Speldorfer Hafen heute auf einer Wasserfläche von 86.000 Quadratmetern die Schifffahrtstradition weiter die Tradition der 1794 und 1846 angelegten Ruhrhäfen fort. Außerdem ist er für 360 Unternehmen zum Standort und Gewerbegebiet geworden.

Montag, 27. Oktober 2025

Kaffeehauspolitik

In Cafes und Gasthäusern wird nicht nur gegessen, sondern auch diskutiert. Bis heute werden hier politische Karrieren geschmiedet. Während der bürgerlichen Revolution dienten die Cafés und Gasthäuser in Frankfurt am Main den Parlamentarischen Clubs der in der Paulskirche tagenden Nationalversammlung als Treffpunkte und Tagungsorte, um sich für die Plenardebatten zu positionieren.

So trafen sich im Casino am Roßmarkt die Liberalen. Sie stellten in der aus 587 Abgeordneten bestehenden Nationalversammlung die größte Fraktion. Ihr Ziel war die Errichtung einer parlamentarischen und konstitutionellen deutschen Monarchie nach britischem Vorbild. Sie saßen in der Mitte des Plenums.

Rechts von ihnen saßen die Konservativen, die sich im Steinernen Haus am Markt zwischen Römerberg und Dom und im Cafe Milani am Rossmarkt trafen. Sie verteidigten die absolute Macht der Monarchen des Deutschen Bundes und damit den politischen Status Quo. Auf der linken Seite des Plenums saßen die Demokraten, die sich unter anderem im Deutschen Hof, im Donnersberg am Mainufer und in der Westend Hall zwischen Taunus- und Main-Weser-Bahnhof trafen. Sie wollten die Monarchie durch eine parlamentarische und demokratische Republik ersetzen.

Die Abgeordneten des Paulskirchenparlaments, das 1849 eine liberale Reichsverfassung verabschiedete und dem preußischen König Friedrich Wilhelm IV. die deutsche Kaiserkrone antrug, waren politisch selbstbewusste Wirtschafts- und Bildungsbürger, die infolge der Urbanisierung und Industrialisierung einen sozialen, aber keinen politischen Aufstieg erlebt hatten. Deshalb forderten sie: "Einigkeit und Recht und Freiheit für das deutsche Vaterland, wie es Hoffmann von Fallersleben 1841 in seinem "Lied der Deutschen" gefordert hatte.

Diese Männer, Frauen waren damals noch von der politischen Mitbestimmung ausgeschlossen, trafen sich um die Mitte des 19. Jahrhunderts, auch jenseits von Frankfurt am Main, in Cafes und Gasthäusern, um Zeitungen zu lesen und ihre politischen Ideen zu diskutieren. Auch die Essener und Mülheimer Demokraten und Liberalen hatten 1848/49 im Kettwiger Cafe Parlament einen Treffpunkt und Tagungsort, an dem sie auch ihre Zeitung, den Wächter an der Ruhr lesen konnten.

Doch weil die Liberalen und die Demokraten die Mehrheit und das Recht, nicht aber die militärische Macht auf ihrer Seite hatten, trugen am Ende die deutschen Monarchen und die Konservativen den politischen Sieg davon. Den Worten des späteren preußischen Königs und deutschen Kaisers Wilhelm I. folgend: "Gegen Demokraten helfen nur Soldaten!", wurde die bürgerliche Revolution 1849 blutig niedergeschlagen.

Doch die Ideen von 1848/49 waren und blieben in der Welt, auch wenn diese Jahre später oft als "Tolle Jahre" politisch verharmlos und diskreditiert wurden. Immerhin gehörten 51 ehemalige Abgeordnete der Frankfurter Nationalversammlung auch dem Reichstag des  1871 gegründeten Deutschen Kaiserreiches an. Doch die Idee einer liberalen deutschen Verfassung mit garantierten bürgerlichen Freiheiten und Grundrechten sollten erst 1919 mit der Weimarer Reichsverfassung und 1949 mit dem Grundgesetz für die Bundespublik Deutschland Wirklichkeit werden.

Vielfalt macht stark

  Ein schwarzer Rassismusforscher und Diversitätsberater spricht über Diskriminierung. Das könnte ein hartes Schwarzbrot werden, vor allem f...