Sonntag, 31. August 2025

Mülheim inklusive

 Folgt man den Statistikern von IT NRW, dann leben in Mülheim an der Ruhr rund 18.000 Menschen mit einer Behinderung. Die Dunkelziffer dürfte höher sein, da nur die Menschen gezählt werden, die als Inhaberin und Inhaber eines Schwerbehindertenausweises registriert sind.

"Wir sind nicht behindert. Wir werden behindert", sagt die neue Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Behindertenselbsthilfe und Chronisch Kranker, Ursula Busch. Rechtzeitig vor der Kommunalwahl ließen sich die Kandidatinnen und Kandidaten für das Oberbürgermeisteramt von der AGB im Rollstuhl durch die Innenstadt schieben und sich im Nachgang in einer Podiumsdiskussion zu ihren inklusionspolitischen Vorstellungen befragen. 

Ihr immer wieder zu hörender Erfahrungsbericht nach der Rollstuhlstadttour lautete: "Man sieht und erlebt die Stadt im Rollstuhl anders und man wird auch anders gesehen beziehungsweise schneller übersehen, weil man eben eine Etage tiefersitzt!"

Zu hohe oder zugeparkte Bordsteine und Bürgersteige, Einstiegs- und Ausstiegsprobleme beziehungsweise Unfallrisiken im öffentlichen Personennahverkehr, zu klein gedrucktes und zu umständlich formuliertes. All das und noch vielmehr kam bei der Diskussionsveranstaltung im Heißener Nachbarschaftshaus der Mülheimer Wohnungsbaugenossenschaft zur Sprache. Allein die Tatsache, dass es die AGB als Behindertenbeirat der aktuell 175.000 Einwohnerinnen und Einwohner zählenden Stadt Mülheim an der Ruhr bereits seit 1979 gibt und dass die AGB schon 1992 eine bis heute gültige Checkliste für barrierefreies Bauen erstellt hat, zeigt, dass das Thema Inklusion ein gesellschaftspolitischer Dauerbrenner ist und bleibt. 

Die Diskussionsveranstaltung der AGB legte aus gutem Grund beim Thema Finanzen und Personal den Finger in die Wunde. Immerhin hat der Stadtrat der AGB erstmalig einen Einmalbetrag von 5000 Euro bewilligt. Doch zurzeit wird die ehrenamtlich arbeitende AGB vor allem durch die hauptamtlichen Personalprobleme im Gesundheitsamt der Stadt Mülheim an der Ruhr ausgebremst. Denn im Gesundheitsamt an der Heinrich-Melzer-Straße ist mit der Behindertenbeauftragten auch die Geschäftsstelle der AGB angesiedelt. Doch diese Geschäftsstelle ist aufgrund eines akuten Personalmangels nur zwei Stunden pro Woche besetzt. Ursprünglich wurden der hauptamtlichen Geschäftsführung der AGB acht Arbeitsstunden pro Woche zugestanden, was auch schon nicht gerade großzügig war.

Dienstag, 12. August 2025

Weise, aber nicht leise

Der Mann, der bei Bild Hans Esser war, rät seinem Publikum: "Leute lest Zeitung!" Der Journalist und Schriftsteller Günter Wallraff, der inzwischen zur Generation 80 Plus gehört, liest täglich fünf Zeitungen. Sagt er. Auch im digitalen Zeitalter ist das recherchierte und gedruckte Wort das beste Gegengift gegen Fake News und das beste Lebenselixier für eine funktionierende und wehrhafte Demokratie, deren gebildete und nicht nur an Wahlsonntagen aktive Staatsbürgerinnen und Staatsbürger sich kein X für ein U vormachen lassen. Bei der sommerlichen Sonntagsmatinee, zu dem das Theater an der Ruhr hält Wallraff, interviewt vom Schriftsteller Ralph Hammerthaler, einen Gottesdienst für die Gläubigen. Sein bildungsbürgerliches Publikum kennt ihn und schätzt ihn, ist als Fankurve in den Raffelbergpark gekommen und verschafft ihm so ein Heimspiel.

Ob als Unfreiwilliger bei der Bundeswehr, ob als freiwillig Gefangener der griechischen Militärdiktatur (1973), ob als Hans Esser bei der Bild (1977) oder als türkischer Arbeiter Ali bei Thyssen (1985): Wallraff, der auch noch mit mehr als 80 Jahren in Jeans, T-Shirt, Turnschuhen und Basecap, wie ein jugendlicher Rebell auftritt, sagt: "Jeder hat seine Möglichkeiten. Wir können die Welt nicht retten. Aber wir können Menschen helfen, die unsere Hilfe brauchen."

Aus seiner eigenen Biografie weiß er: "Auch wenn ich selbst ein Einzelgänger bin, weiß ich doch, dass wir nur gemeinsam etwas erreichen und unsere Gesellschaft besser machen können!" Dankbar ist er für die demokratische Gegenöffentlichkeit, die ihm immer wieder ein Forum gab und ihn den Rücken stärkte, wenn er von Prozessen seiner mächtigen Gegner überzogen, mit dem Rücken zur Wand stand.

Und auch als flotter Achtziger lässt ihn das Unrecht und die Unmenschlichkeit in unserer Gesellschaft nicht ruhen. Deshalb hat er jetzt das Thema Pflege im Visier. Seine Position ist klar: Mit der Pflege sollte kein Geld verdient werden. profitmaximierende Aktiengesellschaften haben in der sozialen Gemeinschaftsaufgabe Pflege nichts zu suchen. 

Trotz positiver Pflege-Beispiele sieht Wallraff in weiten Teil des realexistierenden stationären und ambulanten Pflegebetriebs Deutschland die Menschenwürde der Pflegebedürftigen und der Pflegenden als verletzt an. 

Freitag, 4. Juli 2025

Eine starke Frau

Zurecht ist sie oft mit der Albert-Schweitzer verglichen worden. Ihr Lambrene heißt Litembo und liegt in Tansania. Und für sie gilt auch Albert Schweitzers Satz: "Das schönste Denkmal, das wir uns setzen können, ist das in den Herzen unserer Mitmenschen." 

Jetzt ist Mülheimer Ärztin Dr Irmel Weyer im Alter von 98 Jahren verstorben. Von 1960 bis 1996 hat sie dort die vormalige Gesundheitsstation der Benediktinerinnen zu einem angesehenen Krankenhaus in kirchlicher Trägerschaft ausgebaut. Heute leiten sechs einheimische Ärzte in Litembo eine 320-Betten-Klinik. Ihre medizinische Ausbildung in England, Deutschland und Österreich verdanken sie Irmel Weyer und ihren Unterstützern. 
Pastor Erich Endlein aus ihrer Heimatgemeinde St. Engelbert ist, hat sich ein solches menschliches Denkmal mit der Klinik in Luxemburg Tansania gesetzte , die Klinik in den Jahren 1960 bis 19 war der Mann an ihrer Seite, indem er 1967 einen Förderverein ins Leben rief, der inzwischen zur Dr.-Irmel-Weyer-Stiftung geworden ist.

In der NS-Zeit gehörte Weyer zur katholischen Jugend, die von den damaligen Machthabern nicht gerne gesehen wurde und sich deshalb im Keller des Gemeindehauses an der Aktienstraße versammeln musste. Dort an der Aktienstraße hatte Weyer bis zuletzt eine eine Wohnung, obwohl sie nach ihrer Pensionierung in Ostercappeln lebte und dort ihre ältere Schwester pflegte.

"Ich wollte Menschen helfen. Und ich wollte es tun, wo es bisher noch niemand anderes getan hat", hat Irmel Weyer 2010 die Motivation ihres Lebensweges beschrieben. 

Nach dem Abitur an der Luisenschule studierte Weyer in Passau und Regensburg Medizin. Dort kam sie auch mit den Benediktinerinnen in Kontakt, die ihre den Weg nach Litembo wiesen. Dort führte sie im November 1960 in einer Lehmhütte und im Schein einer Taschenlampe dann ihre erste Operation aus. Freiwillig und bewusst verzichtete Dr. Irmel Weyer auf Ehe und Familie, um möglichst vielen Menschen mit ganzer Kraft helfen und beistehen zu können.

Sonntag, 29. Juni 2025

Sozial und liberal

 Sie war eine Sozialliberale. Jetzt ist die ehemalige FDP-Fraktionsvorsitzende Brigitte Mangen im Alter von 88 Jahren verstorben.

Ihr ebenfalls in der FDP aktiver Sohn Christian nennt seine Mutter eine "Preußin". Und damit meint er nicht nur ihre westpreußische Herkunft, sondern auch ihren disziplinierten Lebensstil.

Die Mülheimer Stadtgesellschaft, deren Teil die zweifach Mutter und vierfache Großmutter 1968 wurde, wird Brigitte Mangen vor allem als langjährige Gründungsvorsitzende des Kinderschutzbundes und als Madame La Tours in Erinnerung behalten. Schon vor der Gründung des Mülheimer Städtepartnerschaftsvereins (1995) kümmerte sich Mangen federführend und herausragend um die 1962 begründete Städtepartnerschaft mit Tours, 

Ihr Engagement hat seine Wuzeln sicher in ihrer Biografie als Vertriebe und als Finanzbeamtin, die in den Jahren 1958 bis 1968 für die Europäische Kommission in Brüssel gearbeitet hatte.

Zu ihrem Selbstverständnis als Sozialliberale, die 1999 in die kommunalpolitische Nachfolge ihres 1998 verstorbenen Ehemannes Rolf getreten war, gehörte auch ihr ebenfalls ehrenamtliches Engagement in führenden Positionen des weltanschaulich und parteipolitisch unabhängigen Paritätischen Wohlfahrtsverbandes.

Brigitte Mangen wird uns fehlen, aber auch unvergessen bleiben. 

Samstag, 28. Juni 2025

Automobilissimo

 Das Auto ist des Deutschen liebstes Kind. Das konnte man auch jetzt beim Oldtimertreff in und an der Alten Dreherei wieder einmal miterleben. Und auch wer selbst eher zur Fraktion der Fußgänger oder Bus- und Bahnfahrer gehört, kann sich der Faszination der Automobilität von Anno dazu mal nicht ganz entziehen. Jedes Auto, was zwischen Kamera obscura ringlokschuppen und Feuerwache zu sehen war hatte seine eigene Geschichte. Das Kennzeichen H, wie historisch, wie es auch Fahrzeuge tragen, weist auch Autos als Oldtimer aus, die noch gar nicht so ganz alt sind. 

Der Vorteil für die historischen Fahrzeughalter: Sie brauchen nur einen einheitlichen Kraftfahrzeugsteuersatz bezahlen, benötigen keine Umweltplakette und müssen auch moderne Standards, wie etwa Sicherheitsgurte, nicht nachträglich einbauen. Die Sicherheitsgurte, die in den frühen 1980er Jahren gegen heftigen Widerstand der Autofahrerlobby vom damaligen CSU-Bundesverkehrsminister Werner Dollinger mit Blick auf die hohen Unfallzahlen durchgesetzt wurde, sucht man zum Beispiel im Ford Taunus aus dem Baujahr 17M  vergeblich. Ungewöhnlich ist auch, das besonders große Lenkrad, auf dem das Kölner Stadtwappen prangt und uns damit darauf hinweist, dass dieses Fahrzeug bei Ford in Köln vom Band gelaufen ist. Für heutige Autofahrer gewöhnungsbedürftig ist auch der Steuerknüppel, der gleich am Lenkrad montiert ist und die Handbremse, das Wort sagt es, die von Hand gezogen werden muss. 

Warum sich wer welches Fahrzeug aus längst vergangenen Baujahren anschafft? Die meisten Oldtimer-Eigentümer erzählen davon, dass sie schon als Kinder und Jugendliche von einem bestimmten Fahrzeugtyp begeistert waren, den sie sich aber als junge Berufstätige nicht leisten konnten. Genauso ging es vor 50 Jahren einen jugendlichen VW-Käfer-Fahrer, der inzwischen, seinem Mercedes 200/8 aus dem Baujahr 1975 sei Dank, doch noch ein glücklicher Mercedesfahrer geworden ist. Das Fahrzeug konnte er gegen eine Spende für einen guten Zweck von einer alten Dame bekommen und ihn so vor der Verschrottung bewahren.  "Das ist für mich wie eine Zeitreise in meine Jugend, vor allem, wenn die entsprechende Musik im Autoradio läuft", sagt der Mülleimer, der im Baujahr seines Fahrzeugs 23 Jahre jung war. 

Bemerkenswert ist auch ein orangener Rennwagen mit Flügeltüren. Sein Besitzer berichtet davon, dass er das 1969 von Wartburg gebaute Fahrzeug 1992 in Ostdeutschland für kleines Geld erwerben konnte. Es handelt sich, wie er nicht ohne Stolz zu berichten weiß, um einen Melkus RS 1000 das einzige rennfahrzeug, dass zwischen 1969 und 1979 in der DDR gebaut wurde. Seine Spitzengeschwindigkeit von 165 km/h hört sich heute nicht gerade spektakulär an. Die Dimension dieser Geschwindigkeit wird aber deutlich, wenn man sich vor Augen führt, und dass auf den Autobahnen der DDR Tempolimit 100 galt. 

Ebenfalls in Orange und fast wie neu, blinken auch der Opel Olympia und der VW-Käfer, die in den 1950er Jahren, die Schokoladen, Pralinen und Vertreter der 1867 in Mülheim gegründeten Firma Wissoll zur Kundschaft brachten, 

Stilecht gekleidet kreuzt ein Ehepaar mit einem Mercedes Cabriolet auf, das mit seiner Vorkriegssilhouette scheinbar aus den 1920er Jahren kommt, tatsächlich aber, wie sein angesichts des starken Sonnenscheins gut behüteter Fahrer verrät, mit der Technik der 1960er Jahre ausgestattet ist. Denn bei seinem Mercedes Cabriolet SSK handelt es sich um einen im besten Sinne des Wortes filmreifen, weil auch für Hollywood gebauten Nachbau des Originalfahrzeugs. 

Im Vergleich zu Mercedes Cabriolet SSK erscheint der VW Kübelwagen aus dem Baujahr 19 74 geradezu profan. Doch wenn man seinen Besitzer von "der ganz anderen Art des Autofahrens schwärmen hört, fühlt man etwas von der Faszination, die von einem Fahrzeug ausgeht, das, wie sein Halter berichtet: "Wie wenig man eigentlich braucht, um ein Auto zu fahren."

"Luftiger und leichter geht es nicht", sagt der Mittvierziger mit Blick auf seinen Kübelwagen, der in seinem ersten Leben im Katastrophenschutz eingesetzt war, und sich in Notfall auch schnell auseinander- und wieder zusammenbauen lässt, und der, wenn es darauf ankommt, im Sommer auch ohne Windschutzscheibe gefahren werden kann. "Wenn ich am Wochenende mit meinem Kübelwagen über Land fahre und in der nächsten Eisdiele einen Zwischenstopp einlege, bekomme ich den Kopf vom Alltagsstress frei", berichtet sein Besitzer und strahlt über das ganze Gesicht. Man glaubt ihm sofort.



Montag, 16. Juni 2025

Kleines ganz groß

 Sie sind echte Macher, die Männer und Frauen um Martin Menke, die mit ihrem Trägerverein, neues Leben in die Alte Dreherei des ehemaligen Eisenbahnausbesserungswerkes Speldorf gebracht haben, zuletzt mit einer Europäischen Straßenbahnmodellausstellung, die sich 2000 Besucherinnen und Besucher aus gutem Grund nicht entgehen ließen.

Eingeladen von der Verkehrshistorischen Arbeitsgemeinschaft VHAG, die auch in Essen und Mülheim, also bei der Ruhrbahn einen Ableger hat, präsentierten 45 Austeller aus fast ganz Europa ihr Miniatur-Straßenbahnwelt mit viel Liebe zum Detail. Da fehlte im Nachbau einer japanischen Straßenbahnlandschaft dann auch nicht die japanische Haltestellenansage: "Bitte, zurücktreten. Die Türen schließen. Die Bahn fährt ab."

"Großartig, was die hier auf die Gleise gezaubert haben", fanden nicht nur Duisburger Eisenbahnmodellbauer, die die etwas anderen Miniaturmodellbahnen nur zu gern unter die Lupe nahmen.

Wie man von den Trammodellbauern erfahren konnte, zaubern sie ihre Straßenbahn- und Landschaftsmodelle nicht nur mit Fingerspitzengefühl und Kleinstwerkzeugen, sondern auch mithilfe des Drei-D-Druckers auf ihre zwischen 1,5 und 9,5 Meter langen Panoramastrecken.

Der Wiener Modellstraßenbahnbauer Robert Neumann ließ sich die Gelegenheit nicht entgehen, bei der Messe mit den großartigen Kleinformaten einige seiner treuesten Kunden, die nicht nur aus Europa kommen, persönlich zu treffen und sich  dabei auch die eine oder andere Planskizze von Straßenbahnmodellen anzuschauen, die er noch nicht in seinem Sortiment hat, aber mithilfe der Vorarbeit der Straßenbahnmodellbauenthusiasten vielleicht bald haben wird. 

Auch die historischen Straßenbahnwagen kamen bei den Modellbauern nicht zu kurz. So war die 1900 von Kaiser Wilhelm II. eröffnete Wuppertaler Schwebebahn ebenso klein, aber fein zu entdecken, wie die erste Niederflurstraßenbahn aus dem Baujahr 1934. Und der neue Straßenbahnanschluss der Alten Dreherei machte es auch möglich Messegäste  in einer Tram aus dem Baujahr 1949 von Speldorf nach Dümpten und wieder zurück zu chauffieren. 

Wer so durch die Stadt fährt, auf der Holzbank und mit Haltestellenklingel, aber leider ohne die Schaffnerin oder den Schaffner, der Anno Dazumal das Schwarzfahren schlicht unmöglich machte, fühlt sich wie auf einer Zeitreise. "Die Holzaufbauten der alten Straßenbahnen haben einfach mehr Stil als unsere heutigen Straßenbahnen", meint ein Fahrgast nach dem Ausstieg an der Endstation Alte Dreherei. Recht hat er.

Das gilt auch für einen Straßenbahnwagen aus dem Baujahr 1921, der in seinem neuen alten Glanz vor der Alten Dreherei ausgestellt, aber leider nicht in Bewegung gesetzt werden konnte. Als dieses alte Schätzchen noch auf der Strecke unterwegs war, kannten und schätzten die alten Mülheimer ihre Tram als preiswertes und umweltfreundliches Transportmittel, das mit seiner E-Mobilität, schon lange, bevor das benzingetriebene Auto des Deutschen liebstes Kind wurde, seiner Zeit schon weit voraus war. Also doch?! Vorwärts und zurück in die Zukunft.

Mehr über die Alte Dreherei finden Sie hier und über die Verkehrshistorische Arbeitsgemeinschaft hier.

Freitag, 6. Juni 2025

Mut zur Lücke

 Als die Schlossstraße 1974 eine Fußgängerzone wurde, war das Wort Leerstand im Einzelhandel ein Fremdwort. Ein Geschäftslokal auf der zentralen Einkaufsstraße der Stadt zu unterhalten, gehörte für Einzelhändler und Dienstleister zum guten Ton. Doch damals kannte man auch noch keinen Online-Handel. 

Inzwischen sind selbst stationäre Einzelhändler auf den Internethandel angewiesen, um den Bewusstsein ihres Umsatzes online zu erwirtschaften. Was für die einen zum Fluch wurde, war für den Galeristen Gerold Harmé ein Segen. Schon in den frühen 2000er Jahren beschäftigte sich, der 1966 in Düsseldorf geborene Kunsthistoriker, Archäologe und Musiker, dem ein Asthma-Leiden, seinen eigentlichen Berufswunsch Sänger verwehrte, mit den Möglichkeiten des Internets im Rahmen des Kunsthandels. Damit gehörte er zu den Pionieren in seinem heutigen Metier. Der Liebe wegen, seine Frau ist Musikpädagogin, kam der Rheinländer vor 20 Jahren an die Ruhr und eröffnete zunächst an der Wall- und dann an der Schlossstraße 29 seine Galerie. Klein, aber fein, gehen hier Ausstellungen und andere  Kulturveranstaltungen, wie Konzerte und Lesungen, über die Bühne. "Wir brauchen nicht nur Geld, sondern auch Kreativität", sagt der Galerist mit Blick auf eine mögliche Renaissance der Schlossstraße. 

Harmé sieht seine Galerie als Kulturnische und macht keinen Hehl daraus, "dass die Art und Weise wie ich mit Kunst arbeite und handle, genau für diesen Ort und nicht für das und nicht für das mondänere Düsseldorf geeignet ist." Seine Kunden, die ihn zuweilen auch in der Galerie an der Schlossstraße besuchen, kennen die Situation der Innenstädter die kein originär Mülheimer Problem ist. "Sie sind froh wenn sie hier in der Nähe eine Kleinigkeit essen oder trinken können und es dann nicht weit bis zum Hauptbahnhof haben", weiß Harmé. 

Seine zunehmend multikulturelle Nachbarschaft, sieht der Galerist nicht als Standort-Nachteil, sehr wohl aber "das Säuferparadies an der unteren Schlossstraße." Erleichtert wäre er, wenn sich die sozialer Brennpunkt mithilfe der Polizei, des Ordnungsamt und der lokalen Sozialarbeit in Wohlgefallen auflösen könnte

Mehr über die Galerie Harmé erfahren Sie hier.


Mülheim inklusive

  Folgt man den Statistikern von IT NRW, dann leben in Mülheim an der Ruhr rund 18.000 Menschen mit einer Behinderung. Die Dunkelziffer dürf...