Freitag, 15. November 2024

Närrischer November

 Mittwoch, 6. November, Am Morgen wird klar: Donald Trump bekommt eine zweite Chance als US-Präsident. Und abends platzt die Ampel-Koalition. Da mag so mancher sich, wie im Narrenhaus gefühlt haben. Wie gut, dass es auch noch Narren gibt, über die man sich nicht ärgern muss, sondern über die man sich freuen kann, weil sie ausgerechnet im tristen November, am 11.11., um genau zu sein, ihr närrisches Treiben mit Musik, Tanz und humoristischen  Reden Spaß an der Freude sorgen.

Wie gut, dass es auch im Mülheimer Karneval noch jene Karnevalisten und Karnevalistinnen, die zum Sessionsauftakt in die Bütt steigen, um auch den politisch Mächtigen, die ja manchmal auch nur ohnmächtig sind, den Spiegel vorzuhalten. Wäre es nicht so und verkäme die Fünfte Jahreszeit zum reinen Partykarneval, wäre es ja auch zum närrisch werden.

Aber warum starten die Jecken ausgerechnet am 11.11. in ihre Session? Die Elf ist eben eine närrische Zahl. Als der rheinische Karneval vor 200 Jahren gesellschaftsfähig wurde, galt die ELF als Chiffre für die französische Revolutionslosung: Égalité, Liberté, Fraternité" "Gleichheit, Freiheit und Brüderlichkeit." Der Karneval war im damaligen Deutschen Bund absolutistisch regierter Monarchien, ein Akt des zivilen Ungehorsams. Daran änderte auch die Tatsache nichts, dass das liberale Bürgertum. das nur zu gerne den Karneval feierte, weil dieser schon damals die Umsätze der Gastronomie ankurbelte, alles wollte, nur keine blutige Revolution a la Francaisé.

Deshalb machten die bürgerlichen Narren und Närrinen aus dem Karneval die Fastnacht, also die opulente, freizügige und fröhliche Zeit, in der man vor dem Beginn der vorösterlichen Fastenzeit am Aschermittwoch, wenn karnevalistisch alles vorbei ist, noch mal alle Fünfe gerade sein lassen, bzw. auf die närrische 11 zwischen den 10 Geboten des Alten und den 12 Aposteln des Neuen Testamentes setzen konnte, um gemeinsam Spiel, Spaß, Gemeinschaft und gute Laune zu erleben. Dabei wurde der bürgerliche Karneval anfangs ausschließlich in Gaststätten mit einem Festmahl und einer Spottrede gefeiert, für die der Hoppeditz oder der Hans Wurst anschließend mit einer Mettwurst belohnt wurde.

Zum Mülheimer Karneval

Samstag, 9. November 2024

Der denkwürdige 9. November

 Endlich mal ein Tag zum Feiern. Das war der 9. November 1989, als Günter Schabowskis "Versprecher" bei einer Pressekonferenz des Zentralkomitees der Sozialistischen Einheitspartei die Mauer zum Einsturz brachte, ohne sich dafür einen Gewaltakt anzutun.

Natürlich wissen wir heute, das Schabowskis Versprecher nur der Tropfen war, der das politische Fass der SED-Diktatur überlaufen ließ.

Ohne die vielen mutigen Freiheitsdemonstranten auf den Leipziger Straßen den 9. Oktober 1989, ohne die Einsicht Gorbatschows in die Notwendigkeit systemimanenter Reformen im realexistierenden kommunistischen Ostblock, der im Herbst 1989 an allen Ecken und Enden zerbröselte, hätte es keinen 9. November 1989 und keinen 3. Oktober 1990 geben können. Daran ändern auch die unbestreitbaren Verdienste des damaligen wesetdeutschen Bundeskanzler Kohl und seines Außenministers Hans-Dietrich Genscher nichts. Hinzu kam zwischen dem 9. November 1989 und dem 3. Oktober 1990, dass der damalige amerikanische US-Präsident George Bush senior, ebenso wie sein sowjetischer Amtskollege erkannte, was die historische Stunde geschlagen hatte und danach handelte.

Den Frankreichs damaliger Staatspräsident Mitterand und die britische Premierministerin Thatcher, hätten  ohne die Achse Gorbatschow-Bush, auch nach dem 9. November 1989 nach der Devise gehandelt: "Wir lieben Deutschland so sehr, dass wir froh darüber sind, das es gleich zwei davon gibt. Dazu passte Mitterands Staatsbesuch in der nach dem Mauerfall politisch faktisch toten DDR.

Auch wenn Kohls Einheits-Euphorie der "blühenden Landschaften", in denen es niemanden schlechter, aber allen besser gehen werde, und die Transformation, ohne Steuererhöhungen, aus der bundesdeutschen Portokasse bezahlt werden könnten, die Vollendung der Deutschen Einheit ebenso bis heute belasten, wie die von der Treuhand, ohne Rücksicht auf Verluste durchgepeitschte Abwicklung der Volkseigenen Betriebe und Produktionsgenossenschaften in der nach dem 3. Oktober 1990 ehemaligen DDR. 

Auch bei der Währungsumstellung auf der Basis 1:1 wurden die sozialen und wirtschaftlichen Folgekosten der deutschen Wiedervereinigung nach mehr als 40 Jahren Teilung in Festtagsreden weggeredet.

Zugute halten muss man Kohl und Genscher, dass sie 1989/90 die Gunst der historischen Stunde, zum Beispiel in Form von Kohls Zehn-Punkte-Plan vom November 1989 erkannten und sofort nutzten, weil sie zurecht ahnten, dass sich das Zeitfenster für eine friedliche Wiedervereinigung schnell wieder schließen könnte. Das Gorbatschow schon im Jahr nach der Wiedervereinigung defacto weggeputscht wurde, bestätigte ihr Kalkül.

Zumindest zwischen dem November 1989 und dem Oktober 1990 blieb keine Zeit, alle Bedenkenträger zu überzeugen und in einer langwierigen Wiedervereinigungs- und Verfassungsdiskussion mitzunehmen.

Auch wenn die DDR am 9. November politisch, wirtschaftlich und moralisch bankrott war, wurden die sozialen Kompetenzen und ihre Erfahrungen einer friedlichen und von Zivilcourage getragenen Revolution nach dem 9. November 1989 zu wenig gewürdigt, ernstgenommen und im neuen gemeinsamen Deutschland sträflich vernachlässigt, ja ignoriert.

Auch wenn sich die staatlich gelenkte Planwirtschaft der DDR als nicht funktional erwiesen hat, hätten die DDR-Erfahrungen mit Krippen, Polykliniken, und genossenschaftlichen Betriebs- und Produktionsformen durch aus in der sozialen Marktwirtschaft liberaler und demokratischer Prägung, etwa im Sinne einer christlichen und humanistischen Sozialethik, gemeinwohlorientiert weiterentwickelt werden können.

35 Jahre danach leben wir in einer multipolaren und unübersichtlichen Welt, so dass man sich fast nach der eindeutigen Konflikt- und Friedensordnung des Kalten Krieges zurücksehnen könnte.

Wir müssen als Deutsche in Europa, siehe Trump und Co, erkennen, dass es Amerika heute nicht mehr besser hat und wir uns aif seinen transatlantischen Schutzschirm in internationalen Konfliktfällen nicht mehr verlassen können.

Allen anderslautenden Durchhalteparolen, ist die Europäische Union und die europäischen Nato-Staaten auf diese nicht ganz neue Realität und Einsicht nicht vorbereitet.

Kann man den 9. November 1989 als Glücksmoment der deutschen Geschichte und den 9. November 1918 als einen schmerzvollen, aber unvermeidlichen Transformationsprozess begreifen, so bleiben der 9. November 1923, als Hitler versuchte die Weimarer Republik wegzuputschen und der 9. November 1938, an dem die Judenverfolgung im nationalsozialistischen Deutschland einen ersten Höhepunkt erreichte, der die Tür zum Völkermord des Holocaust öffnete, unauslöschliche Tiefpunkte und Schandmale der deutschen Geschichte.

Doch wir haben, wenn auch spät, als Deutsche aus der Not eine Tugend gemacht und unsere Geschichte selbstkritischer aufgearbeitet und reflektiert, als manche andere Nationen.

Dabei konnten wir an das Erbe anknüpfen, das uns die Blutzeugen im deutschen Widerstand gegen Hitler hinterlassen haben. Staufenberg und Scholl sind nur zwei von vielen Namen, die in diesem Kontext uns bis heute als geistiger und moralischer Kompass dienen können.

Deshalb brauchen wird auch, anders, als von einigen Exponenten des politisch rechten Randes, keine Geschichtswende um 180 Grad. Die unvergleichlichen Menschheitsverbrechen, die zwischen 1933 und 1945 im deutschen Namen begangen worden sind, sind kein Vogelschiss der deutschen Geschichte, den mal wegwischen könnte. Sophie Scholl hat zurecht gemahnt: "Die Verbrechen, die heute im deutschen Namen begangen werden, werden uns noch in 1000 Jahren anhängen." Doch wenn wir auch aus den deunkelsten Kapiteln unserer Geschichte heute und für morgen lernen, dann kann uns die Geschichte zur Quelle der Stärke und der Erkenntnis werden und uns so davonabhalten, den Fehler unserer Vorfahren zu wiederholen und den scheinbar so einfachen Heilsversprechen politischer Extremisten mit absolutem Macht- und Wahrheitsanspruch zu folgen. Denn nicht nur im privaten, sondern auch im politischen Raum bleibt Erich Kästners Erkenntnis zeitlos aktuell: "Es geschieht nichts gutes, außer man tut es!"


Erinnern für heute und morgen

Samstag, 26. Oktober 2024

Kunst inklusive

 "Ab in die Mitte", heißt es noch bis Mitte Dezember bei der Jahresausstellung des inklusiven Vereins Art Obscura. Es geht dabei nicht nur um Mülheims Mitte, wo Art Obscura seit drei Jahren im Haus an der Georgstraße 26 sein Domizil hat, sondern auch darum, was es bedeutet, wenn wir vom Rand in die Mitte unserer Gesellschaft oder unserer sozialen Gruppe treten.

Mit Workshops, Werkschauen und Projekten bringt Art Obscura Menschen mit und ohne Handicap durch die Kunst zusammen. "Wer von uns hat eigentlich kein Handicap?" fragt sich in diesem Zusammenhang Vorstand Kirsten Uecker. Und ihr Vorstandskollege Gert Rudolph sieht das Anliegen von Art Obscura darin, allen Menschen, unabhängig von ihrem Handicap oder von ihrer Herkunft, die aktive Teilhabe an der Kunst zu ermöglichen." Seit Joseph Beuys wissen wir: "Jeder Mensch ist ein Künstler." 

Das zeigte auch die Vernissage im Art-Obscura-Haus der Georgstraße 26, bei dem es zum Auftakt eine Theaterperformance zu Smetanas Tondichtung "Die Moldau" zu sehen gab. 25 Kreative präsentieren bei der Jahresausstellung ihre Gemälde und Fotografien in ganz unterschiedlichen Stilrichtungen. 

"Die Kunst macht das Leben schön", sagt der 27-jährige Philipp, der unter anderem ein Paar gemalt hat, dass durch Venedig gondelt. Ernster geht es in Wolfgangs Bildern zu, die Krieg, Frieden und Umweltzerstörung thematisieren. "Ich bin ein politisch denkender Mensch und so male ich auch, weil ich damit zum Beispiel meine Gedanken aus der Birne herausbekommen kann", sagt der 71-Jährige, der mit seiner Frau im Fliednerdorf lebt und sein Leben, trotz einer seelischen Erkrankung, zu meistern versteht. Das gilt auch für den vor 64 Jahren mit einem Autismus geborenen Wulf.

"Mit meiner Kunst kann ich meine Welt anderen Menschen vermitteln", sagt der auch in der Arbeitsgemeinschaft Mülheimer Künstler aktive Maler, der uns mit seinen Bildern in fantastische Welten entführt.


Zum Verein Art Obscura

Donnerstag, 24. Oktober 2024

Preiswürdig

Die Stadt verrate ihn, die Sparkasse finanziert ihn mit einem Preisgeld von jeweils 3000 €. Auch in seinem 62. Jahrgang macht der Ruhrpreis für Kunst und Wissenschaft seinem Namen alle Ehre. In der Stadthalle werden am 1 Dezember Maria Neumann und Frank Neese für ihre Arbeit als Schauspielerin am Theater an der Ruhr und als Chemiker in der Grundlagenforschung am Max-Planck-Institut für Kohleforschung!  

Wie seiner Ko-Preisträgerin erlebt Neese, der seit 2001 in Mülheim lebt und arbeitet, seine Auszeichnung als Ansporn, "in meiner Arbeit nicht nachzulassen". Mit ihm, so Neese werde auch die Grundlagenforschung, die wir uns in Deutschland Gott sei dank immer noch leisten. "Denn das", so Neese, "was heute noch Grundlagenforschung ist, ist morgen schon Innovation und übermorgen Realität."

"Was ist der  Mensch?", nennt Maria Neumann die Frage, die an allem Anfang von Literatur und Theater steht. "Im Theater kann man authentisch und analog erleben was man mit seinem Smartphone nicht erleben kann, die lebendige Sprache als Erkenntnisprozess, was uns als Menschen ausmacht", betont Neumann.

Der Name des geschäftsführenden MPI-Direktors, Frank Neese, verbindet sich unter anderem mit einer Fachsoftware, mit deren Hilfe man chemische Grundlagenrechnungen erleichtert, womit sich auch Medikamente optimieren lassen. Die seit 1986 am Theater an der Ruhr wirkende Schauspielerin Maria Neumann hat sich als Sprachkünstlerin einen Namen gemacht, die es versteht, die in Szene gesetzte und gesprochene Literatur vom Märchen bis zum aktuellen Bühnenstück, auch Kindern und Jugendlichen altersgerecht zu vermitteln und sie damit für die Literatur, für die Sprache und für das Theater zu begeistern. Was ist eigentlich der Mensch?


Mittwoch, 16. Oktober 2024

Nah am Wasser gebaut

Mülheim ist nah am Wasser gebaut. Man sieht es. Die 239 Kilometer lange Ruhr fließt auf 14 Kilometern Länge mitten durch die Stadt. Mülheim an der Ruhr trägt als Stadt am Fluss eben diesen auch im Namen. 

Was wären Muelheims Handel und Industrie, siehe Tengelmann, Lindgens, Dinnendahl, Troost, Thyssen, Stinnes und Co ohne die Ruhr. Bis zum Beginn des Eisenbahnzeitalters um 1860 war sie der am stärksten befahrene Fluss Europas. Wo der Muelheimer Verschoenerungsverein ab 1880 daran  ging, die Ruhranlagen anzulegen, lagen seit 1839 Mülheims erster Hafen, eingerahmt von Schiffswerften und Kohlenmagazinen. 

Obwohl es bereits 1853 eine Mülheimer Schifffahrtsgesellschaft mit zwei Ausflugsdämpfern gab, sollte sich die weiße Flotte erst ab 1927 dauerhaft etablieren. Im gleichen Jahr wurde in Speldorf der Rhein Ruhr Hafen mit seiner Hafenbahn in Betrieb genommen, wovon anfangs vor allem die 1811 gegründete Friedrich-Wilhelms-Hütte profitieren konnte. Heute ist der von den städtischen Betrieben gemanagte Rhein Ruhr Hafen ein Gewerbegebiet mit mehr als 300 Unternehmen, in dem zu Lande und zu Wasser jährlich mehr als eine Million Tonnen Frachtgut umgeschlagen werden. 

Doch die auch landschaftlich reizvolle Lage an der Ruhr hat für Mülheim nicht nur Vorteile mit sich gebracht. Das Juli-Hochwasser des Jahres 2021 mit seinen massiven Schäden auf der Schleuseninsel ist allen Mülheimerinnen und Mülheimern noch in schlechtester Erinnerung. Seitdem liegt der Wasserbahnhof de facto auf Eis. Vergleichbare Hochwasserschäden waren sowohl 1890 als auch im August 1954 zu beklagen, als weite Teile der Stadt an eine seenlandschaft erinnerten und die Stadt insgesamt 18 Standorte mit massiven Infrastrukturschäden zu beklagen hatte. Auch die Vollendung des Stadthallenbaus am Broicher Ruhrufer wurde 1925 durch Hochwasser verzögert und sorgte dafür, dass man an der Baustelle nasse Füße bekam. Legende sind auch die zahlreichen Fotografieren, auf denen man die alten Mölmschen in Booten durch die überflutete Delle oder durch die unter Wasser stehende Ruhrstraße fahren sieht. So mancher Kaufmann an den damaligen Hauptgeschäftsstraßen der Stadt musste in der Hochwassersaison massive Materialverluste hinnehmen, weil seine Lager vollgelaufen waren.

Angesichts der jüngsten Starkregenereignisse, die mit dem Klimawandel in Verbindung gebracht werden, stellt sich die Frage einer klimagerechten und umwelterhaltenden Stadtplanung mit weniger CO2-Ausstoß, mehr erneuerbaren Energieträgern und mehr Grün- und Freiflächen in einer ganz neuen globalen Dimension, die uns zwingt, lokal zu handeln und global zu denken.

Sonntag, 13. Oktober 2024

Das Ende einer Lebensreise

"Ich bekenne, ich habe gelebt." Die so betitelte Autobiografie des chilenischen Dichters und Nobelpreisträgers Pablo Neruda war nur ein Buch, das Wolfgang Hausmann seinem Publikum mehr als einmal vorgestellt hat.

Mit ihm konnte man auch in die Welt von Heinrich Heine, Wilhelm Busch, Kurt Tucholsky Mascha Koleko und Joachim Ringelnatz eintauchen. 

Das letzte Kapitel im indischen Leben von Wolfgang Hausmann ist geschrieben. Die Buchdeckel seiner Lebensgeschichte haben sich geschlossen.

Ein Monat vor seinem 73. Geburtstag ist Wolfgang Hausmann plötzlich und unerwartet verstorben. 1951 in Bochum geboren, fand er in der Heimaterde eine Wahlheimat, in die er seine Liebe zum geschriebene und gesprochenen Literatur mitbrachte, um sie seinen Nachbarn und Mitbürgerinnen und Mitbürgern zum Veranstalter und Rezitator von Lesungen und Konzerten nahezubringen.

Er machte sie nicht nur mit der deutschen und internationalen Literatur, sondern auch mit Wort- und Klangkünstlern, wie Oliver Steller und Lutz Görner bekannt. Bei Görner und Steller ging er als Rezitator in die Schule, um in ihrem Stile literarische und musikalische Abende in der Stadtteilbücherei Heißen, im MWB-Nachbarschaftshaus am Hingberg, im Kulturzentrum Fünte und zuletzt in der evangelischen Ladenkirche an der Kaiserstraße auf die Bühne zu bringen. "Die große Kunst mit ganz wenigen Worten ganz viel und vor allem das Wesentliche zu sagen und auf den Punkt zu bringen." Das war in den Worten von Wolfgang Hausmann der Kern seiner Begeisterung für die Literatur, deren Funke an seinen Literaturabenden auf sein Publikum über. Verdient und gemacht hat sich Hausmann nicht nur mit der Veranstaltungsreihe "Musik und Literatur in der Heimaterde", sondern auch mit der Lesung "verbrannter Autoren" am 10. Mai, die am Jahrestag der nationalsozialistische Bücherverbrennung über die Lesebühne ging. Für diese Veranstaltung, die abwechselnd vor dem und im Medienhaus am Synagogenplatz stattfand, fand er auch zahlreiche prominente Mülheimer Mitleser und Mitleserinnen. 

Mit Wolfgang Hausmann ist viel zu früh einer der belesensten  Bürger unserer Stadt in die Kulturgeschichte Mülheims eingegangen. 

Samstag, 12. Oktober 2024

Zur Lage der Nation

Ein Geburtstag ist ein Anlass, um zu feiern, aber auch ein Moment des Innehaltens und des Nachdenkens darüber, was gut gelaufen ist und was besser laufen kann im eigenen Leben.

So ist es auch mit unserem Land und mit unserer Gesellschaft, im seit 1990 wiedervereinigten Deutschland. Deshalb hat die CDU auch am 34. Tag der Deutschen Einheit zum Herbstgespräch eingeladen.

Diesmal sorgte Hans-Georg von der Marwitz als Gastredner im Kunstmuseum Alte Post mit seinen kritischen Feiertagsrede für reichlich Gesprächsstoff.

Der Landwirt und CDU-Politiker hat eine deutsch-deutsche Biografie. In Süddeutschland geboren und aufgewachsen, bewirtschaftet er seit der Wiedervereinigung 1990 einen Teil des Landes, das seiner aus Brandenburg stammenden Familie bis 1945 gehört hat.

Während die CDU-Kreisvorsitzende und Bundestagsabgeordnete Astrid Timmermann-Fechter die Wiedervereinigung als einen der "glücklichsten Momente der deutschen Geschichte" bezeichnete, nannte von der Marwitz die Wiedervereinigung "ein Geschenk". Warum wir zu unserem Glück wiedervereinigt sind, machte er mit einem eindrücklichen Rückblick auf seinen Besuch in der real existierenden DDR des Frühjahres 1989 deutlich, als seine sächsischen Gastgeber und er als junger Besucher aus dem Westen Deutschlands noch mit der Willkür der SED-Diktatur konfrontiert wurden. Damit führte Hans-Georg von der Marwitz seinem Publikum noch einmal vor Augen, dass es keinen Grund gibt, der DDR nachzutrauern.

Dennoch machte er deutlich, dass er den Zustand unseres Landes und unserer Gesellschaft 35 Jahre nach dem glücklichen Mauerfall mit großer Sorge sieht und es ihm, wie seinerzeit Heinrich Heine ergehe: "Denke ich an Deutschland in der Nacht, bin ich um den Schlaf gebracht."

Die Wahlerfolge der in Teilen rechtsextremen AFD bei den Landtagswahlen in Brandenburg Sachsen und Thüringen kommen für ihn nicht von ungefähr. Obwohl er Helmut Kohl das historische Verdienst bescheinigt, die historische Gunst der Stunde 1989/90 erkannt und entsprechend gehandelt zu haben, machte er deutlich, dass schon die westdeutsche Bundesregierung Kohl/Genscher den Menschen in der damals noch existierenden DDR Hoffnungen gemacht habe, die unhaltbar gewesen seien. Auch die mangelnde Bereitschaft der Westdeutschen im Zuge der Wiedervereinigung die Lebensleistungen ihre ostdeutschen Landsleute zu würdigen und unbestreitbare Errungenschaften der DDR für das wiedervereinigte Deutschland, auch jenseits des grünen Pfeils, für das zu übernehmen, hätten die Ostdeutschen tief enttäuscht und ihnen das Gefühl gegeben, als Bundesbürger zweiter Klasse nicht gebraucht und nicht anerkannt zu werden. Von der Marwitz erinnerte an den massenhaften Verlust von Arbeitsplätzen, die das Ergebnis der Abwicklung der volkseigenen DDR-Betriebe durch die Treuhand gewesen seien, an westdeutsche Geschäftsleute, die die unerfahren Verbraucher im Osten Deutschlands finanziell über den Tisch gezogen hätten und an kontraproduktive Strukturentscheidungen, die nach der Wiedervereinigung von westdeutschen Verwaltungs- und Wirtschaftsmanagern zum Nachteil der Ostdeutschen getroffen hätten.

Mit Blick auf die aktuelle Lage der deutschen Nation, sieht von der Marwitz ein Defizit an Realismus und ehrlicher Kommunikation. Anspruch und Wirklichkeit sieht er im wiedervereinigten Deutschland des Jahres 2024 weit auseinanderklaffen. Das macht er an Defiziten in unserer Infrastruktur, in unserem Bildungswesen und an überzogenen Sozialleistungen fest. Er sieht Deutschland derzeit als eine Gesellschaft, die, wie im Märchen vom Fischer und seiner Frau, unzufrieden über ihre Verhältnisse lebt. Von der Marwitz: "Wer Rechte hat, der hat auch Pflichten. Aber wir erwarten heute oft von anderen mehr, als wir selbst zu leisten, bereit sind!" Nur wenn diese mentalen und materiellen Strukturprobleme von den demokratischen Parteien glaubwürdig angegangen und gelöst werden, kann unsere Demokratie, nach seiner Ansicht, den Anfechtungen rechter und linker Extremisten standhalten. Von der Marwitz sieht den Auftrag des Tages der Deutschen Einheit darin, dass "wir schützen und stützen, was wir lieben", damit die Vision, die Hoffmann von Fallersleben 1841 in seinem Lied der Deutschen beschrieben hat: "Einigkeit und Recht und Freiheit sind des Glückes Unterpfand. Danach lasst uns alles streben, brüderlich mit Herz und Hand. Blühe im Glanzes dieses Glückes, blühe deutsches Vaterland."



Närrischer November

 Mittwoch, 6. November, Am Morgen wird klar: Donald Trump bekommt eine zweite Chance als US-Präsident. Und abends platzt die Ampel-Koalition...